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Zauberwort Customer Journey Management. So profitiert die Fitnessbranche von der Hotellerie

Abbildung 2: Exemplarische Touchpoints eines CJM für Fitnessanbieter

In puncto Dienstleistungsqualität, Kundenbindung und Online-Marketing verfolgt die Hotellerie ein ganzheitliches Konzept – das Customer Journey Management. Von diesem Ansatz kann die Fitnessbranche profitieren und lernen, denn wer langfristig erfolgreich sein will, muss die „Reise“ seiner Kunden verstehen.

Die gesamte Dienstleistungsbranche wird zunehmend mit einem stetig wachsenden und branchenübergreifenden Qualitätsbewusstsein sowie zahlreicher neuer Onlinemöglichkeiten konfrontiert. Wer „Touch & Tec“, also die persönliche Betreuung durch Menschen mit Unterstützung durch Technik erlebbar machen und Kunden langfristig durch innovative Konzepte an sich binden will, kann sich am Customer Journey Management (CJM) der Hotellerie orientieren.

Die „Reise“ des Kunden verstehen – der Ansatz der Hotellerie

Sowohl die Hotellerie als auch die Fitnessbranche sind Dienstleister und gleichermassen „Gastgeber“ in der Freizeitbranche und teilen sich daher viele Gemeinsamkeiten. Ähnlich wie die Sterne-Kategorie der Hotellerie, unterscheiden sich die Studios in Ausstattung, Serviceangebot etc. und bedienen vom Premium- bis zum Discountsegment alle Kundenwünsche. So konkurrieren z. B. Kettenbetriebe (Hilton vgl. Planet Fitness) als auch private Anbieter (Airbnb vgl. Personal Trainer) um die Gunst der Kunden. Beide Märkte sind hart umkämpft, obgleich in der Hotellerie im Onlinesegment noch ein deutlich höherer Preis- und Konkurrenzdruck herrscht. Gleiches kommt aufgrund der zunehmenden Professionalisierung auch auf die Fitnessbranche zu. Deshalb sollten Studiobetreiber den digitalen „Reise-Zug“ nicht verpassen.

Auch wenn es um die zunehmende Individualisierung geht, stehen sich die beiden Branchen in nichts nach. Individuelle Betreuung im Stil von „der Gast ist König“ hat längst Einzug gehalten. Der Boutique-Trend findet sich (wenn auch schon deutlich früher) ebenfalls in der Hotellerie wieder.

Anders als viele andere Dienstleistungsbranchen agiert insbesondere die Ferienhotellerie im Rahmen des CJM-Ansatzes ganzheitlich und bietet umfassende Erlebnisse und eben nicht nur reine Produkte. Die Hotellerie nimmt die Reise des Kunden in der Theorie (vgl. Berger, 2016; Ratajczak & Jockwer, 2016) von der ersten Intention, der Suche, über die Buchung und den Aufenthalt bis hin zum Reflektieren in den Fokus.

Abbildung 1: Customer Journey Analyse-Rahmen (leicht modifiziert nach Berger, 2016, S. 9)

Die Customer Journey in zehn Schritten – Tipps für die Praxis

Im Folgenden sollen nun zehn Schritte vorgestellt werden, die sich analog auf die Fitnessbranche übertragen lassen. Wie im Urlaub sollten sich die Gäste im Fitnessclub ebenso wohl und geborgen fühlen. Tun sie dies, kommen sie auch gerne wieder zum Training und sind dann sogar dazu bereit, Zusatzkäufe zu tätigen sowie als „loyale Fans“ das Studio weiterzuempfehlen. Hier sei explizit darauf hingewiesen, dass es sich um ausgewählte Aspekte handelt und die Reise des Kunden in der Praxis noch deutlich komplexer ist.

1. Ein Traum – ein Wunsch

Der Kunde ist urlaubsreif und bereit dafür, kommerziell aktiv zu werden. Die Bewusstseinsbildung ist somit eingeleitet und die Entscheidung ist getroffen. Aus „ich will in den Urlaub“ wird „ich buche jetzt meinen Urlaub“ – doch wo? Ein Wunsch weckt Begehrlichkeiten, die es nun zu befriedigen gilt!

2. SEM: Strand, endlich Meer – oder Search Engine Marketing?

Bei fast drei Vierteln aller Urlauber beginnt die Reiseplanung auf Google. Hotels müssen daher gerade hier Präsenz zeigen und sich per SEO (Suchmaschinenoptimierung) entsprechend platzieren. Wer nicht oben im Ranking steht, wird auch nicht gefunden – das ist auch in der Fitnessbranche so. Dabei sollte man auf beide Möglichkeiten zugreifen: zum einen die Webseite mit SEO optimieren und zum anderen Werbeanzeigen bei Google Ads schalten.

3. Prüfen, checken und vergleichen

Google-Rankings, Vergleichsportale, Kundenrezensionen, Influencer und Co. entscheiden über Erfolg bzw. Misserfolg. Hier agiert die Hotellerie bereits deutlich proaktiver und steuert Bewertungen auf Tripadvisor, Google sowie in den sozialen Netzwerken durch gezielte Massnahmen aktiv mit. Wer hier im Online-Marketing nicht fit ist, kommt erst gar nicht in die engere Auswahl. Heute ist der „Instagenic-Faktor“ (also der Auftritt in ebendiesem Medium) bei jüngeren Zielgruppen ein Trigger für die Kaufentscheidung. Deshalb sind Unternehmen gut beraten, diesen Faktor mit Emotionen, Humor sowie einem glaubhaften Storytelling zu erhöhen, um sich eine Community aufzubauen, denn die beste Werbung sind eben immer noch begeisterte, loyale Kunden. Hier schlummert in der Fitnessbranche noch viel Potenzial, das es künftig zu nutzen gilt.

4. Survival of the fittest & the fastest

Da der Kunde des digitalen Zeitalters als verwöhnt und bestens informiert gilt, bringt er gewisse Erwartungshaltung mit:  Eine moderne, zeitgemässe Infrastruktur, Topservices, kurze Antwort-, Reaktions- und Bearbeitungszeiten sowie Interaktionen auf diversen Kanälen wie Web und Social Media. Um den Impuls, einen Urlaub zu buchen und ein Hotel zu wählen, aufzunehmen, muss die besuchte Seite schnell und einfach im entstandenen „Buchungsflow“ funktionieren. Ist die Landingpage jedoch nicht optimiert und performt nicht entsprechend schnell, resultiert daraus statt „Urlaubslust“ schnell „Buchungsfrust“. Ähnliches gilt für die Fitnessbranche: Wer trainieren will, sucht Performance und keine langen Ladezeiten oder unübersicht-liche Seiten.

5. Retargeting – „A wish comes true“

Sollte es dennoch beim ersten Besuch nicht zu einem direkten Abschluss kommt, können Unternehmen sich durch ein gezieltes Retargeting wieder aktiv ins Gedächtnis rufen und weitere Begehrlichkeiten wecken – denn es muss ja nicht beim Traumurlaub bleiben. Hierfür könnten z. B. Cookies eingesetzt werden. Retargeting-Ads erzielen bis zu 25 Prozent höhere Durchklickraten als klassische Werbeanzeigen und sind daher ein probates Marketingtool, gerade bei noch unentschlossenen Kunden. Im richtigen Moment ein gutes Angebot, ein Rabatt oder ein Upgrade, und dann klappt es doch noch mit der Kaufentscheidung.   

6. Buchen, individualisieren und Tasche packen

Durch diverse Zusatzmöglichkeiten erzielen Hotels bei der Buchung weitere Verkäufe. In der „Buchungseuphorie“ werden so z. B. Massagen, Wellnesstermine, Packages etc. angeboten. Hier wird im Hotelgewerbe durch eine künstliche Verknappung und exklusive Upgrades z. B. deutlich umsatzorientierter agiert, um schon vor dem ersten Aufenthalt zusätzliche Verkäufe zu realisieren. Im Online-Sales-Bereich von Fitnessclubs sind hier noch deutliche Steigerungen möglich. Der Kunde möchte in der Hotellerie sicher, schnell und einfach buchen, reservieren und bezahlen – das gilt auch für die Fitnessbranche: Wer ein Probetraining will, sucht schnellen Service und keine Bürokratie – denn sonst wird auch die „Trainingstasche“ gar nicht erst gepackt.

7. Check-in nicht „verchecken“

Da der Check-in logischerweise nur einmal durchgeführt werden kann, gibt es nur die eine Chance für den ersten Eindruck und die Aufnahme wichtiger Informationen. Dieser Vorgang kann bspw. durch die Optimierung von Anreise, Parkplatzsituation, Wartezeiten oder der Onlineregistrierung massgeblich angenehmer für den Kunden gestaltet werden. Nur wer sich willkommen fühlt, ist wirklich angekommen. Vorbei mit dem Papierkrieg – heute wird branchenübergreifend digital eingecheckt. „Verchecken“ sollten Unternehmen hier aber nicht, dass jede Kundeninformation (E-Mail, Tel.-Nr. etc.) bares Geld für weitere Marketingaktionen wert sein kann. Hier gilt es, die eigenen Mitarbeiter zu sensibilisieren und ihnen zu vermitteln, wie wichtig diese Kundendaten sind.

8. Perfect Stay – Jeder Kundenkontakt und jede Interaktion zählt

Unternehmen müssen es schaffen, überzeugende Kundenerlebnisse im gesamten Verlauf des Aufenthalts zu kreieren – gute Werbemassnahmen allein können dies nicht ersetzen. Nicht nur Hotels sollten deshalb einen Fünf-Sterne-Service bieten. Das Fitnesscenter ist für viele das „zweite Zuhause“ und der Ort, um einen kurzen „Urlaub“ vom stressigen Alltag zu erleben.  Wenn es um individuellen Service sowie Detailarbeit geht, dann ist an keine andere Branche zu denken als an die Hotellerie: Die Gast-orientierung hier bietet eine Blaupause für sonstige Branchen. Anders als im Hotel sind die Kunden im Studio zwar kürzer, dafür aber öfters vor Ort. Deshalb gilt es, in Service und Betreuung an allen digitalen und physischen Kontaktpunkten zu überraschen. Einer der wichtigsten Faktoren während des Besuchs und auch lange danach ist der positive User-Generated-Content und die Interaktion über Social Media – denn das Netz vergisst nichts und die Kunden noch weniger. Jede emotionale Verknüpfung und jeder digitale Touchpoint mit dem Unternehmen kann zum „Revisit“  führen.

9. Check-out – aus den Augen, aus dem Sinn?

Nicht nur der erste, auch der letzte Eindruck kann entscheidend sein. Er stellt den (vorerst) letzten Kundenkontakt dar und bestimmt unter Umständen das Folgebuchungsverhalten des Kunden.

Ein sensibilisiertes Personal kann im Ernstfall dank eines gastorientierten Reklamationsmanagements mit einer negativen Bewertung proaktiv umgehen. Aber auch die begeisterten Kunden sind ein wichtiges Sprachrohr, das man kanalisieren sollte, denn jede Bewertung sowie jeder Post zählt und wird von anderen Interessenten aufgegriffen (s. Punkt 3.). Hotels haken hier live vor Ort und nach der Abreise deutlich mehr nach (z. B. mit automatisierten E-Mails, Fragebögen und Co.). Feedback bietet elementares Verbesserungspotenzial – also, keine Angst davor! Auch dieses Vorgehen sollte fest in der Fitnessbranche implementiert werden und kann bspw. über den Net Promoter Score (NPS) schnell und einfach abgefragt werden. 

10. Kundenbindung und CRM

Gesammelt wird in Zeiten von Big Data viel, aber warum wird es nicht nachhaltig zur Kundenbindung genutzt? Nur wer seine Kunden kennt, kann individuellen Service bieten. Der Gast ist König – durch eine professionelle Datenbank oder ein CRM-System können sämtliche Präferenzen, Besonderheiten und Wünsche direkt gesichert und fortan für alle Mitarbeiter sowie für das Marketing genutzt werden. Wer nah am Kunden sein will, muss so viel wie möglich über ihn wissen. Auch Loyalty-Programme werden noch zu selten genutzt. Unter dem Motto: Wer viel trainiert, bekommt etwas zurück, z. B. Zusatzleistungen. So können aus begeisterten „First Movern“ Stammkunden werden, die man dann mit Benefits, Treue- und Loyalitätsboni weiter an sich binden kann. In der Praxis existieren zahlreiche Treue-Programme von Hotels sowie deren Partnerunternehmen, an denen man sich orientieren kann – denn Treue wird belohnt, nicht nur in der Hotellerie!

Abbildung 2: Exemplarische Touchpoints eines CJM für Fitnessanbieter

Fazit

Um Stammkunden zu gewinnen und ebenso zu halten, müssen Unternehmen aus der Fitnessbranche alle Touchpoints bedienen; weg vom Dienstleister − hin zum Gastgeberverständnis. Das gilt für den digitalen Marketingkoffer wie auch für die Kundenbindung. Unternehmen, die es schaffen, mit „Guest-Experience“ nachhaltig zu begeistern, können einen ganzheitlichen CJM-Ansatz langfristig umsetzen. Dazu braucht es Kauf-, Gebrauchs- und Kommunikationserlebnisse auf allen Ebenen und Kanälen der Journey! Mithilfe des CJM können Fitnessunternehmen schnell und einfach alle relevanten Touchpoints analysieren, Schwachstellen aufdecken und Mitglieder langfristig an das eigene Studio binden.

Auszug aus der Literaturliste

Berger, R. (2016) (Hrsg. Rolandberger GmbH/ÖHV). Think Act. Beyond Mainstream. Hotellerie 4.0: Gäste gewinnen und effizienter werden. Zugriff am 16.01.2018. Verfügbar unter https://www.oehv.at/Studie-Hotellerie-4-0

Helmke, S., Uebel, M. & Dangelmaier, W. (Hrsg.). (2017). Effektives Customer Relationship Management. Instrumente – Einführungskonzepte – Organisation (6., überarbeitete Auflage). Wiesbaden: Springer Gabler.

Middelkamp, J. & Rutgers, H. (2017). Customer engagement and experience in the fitness sektor. Den Bosch: Black Box Publishers.

Comic Art Copyright Rizky Pratama Putra & Frederik Neust

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte:

marketing@dhfpg-bsa.de

Frederik Neust

Der deutsche Fitnessökonom, der über Stationen in England nach Asien gekommen ist, hat das Online-Marketing einer der am schnellsten wachsenden Fitnessketten in Asien aufgebaut. Zuletzt war er in Asien anderthalb Jahre als Head of Digital eines asiatischen Hotelmanagement-Unternehmens tätig. Es folgte der Schritt in die Selbstständigkeit, um innovativen Firmen den Markteintritt in Asien zu ermöglichen. Zudem ist er als freiberuflicher Dozent und Autor für die BSA-Akademie tätig.

Florian Schmidt

Florian Schmidt absolvierte nach einem Studium im Hotelmanagement und mehreren Jahren Berufserfahrung in der internationalen Hotellerie zusätzlich ein Master-Studium in Sportwissenschaft. Er ist als Dozent, Wissenschaftsredakteur und Tutor für die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement/BSA-Akademie tätig.

www.dhfpg-bsa.de