DO bis SA 8. bis 10. Oktober 2020, Mountain Move Arosa Jetzt anmelden: Das coolste Netzwerktreffen des Jahres
6. August 2020
Virtuelles Training wie nie zuvor: MZ-Remote das innovative Feature von Myzone hebt virtuelles Training auf ein neues Niveau
6. August 2020

Wirklich ein «Game Changer»? Vegane Ernährung im Kraftsport

Die in den letzten Jahren häufig diskutierten Meinungen über die Effekte einer veganen Ernährung im Kraftsport haben sich nicht zuletzt durch den Netflix-Film «The Game Changers» weiter polarisiert. Unabhängig von den vielen negativen Kritiken, die dieser Film bekommen hat, stellt dieser Beitrag den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Frage «Welchen Einfluss hat eine rein pflanzliche Kost auf die Leistungen im Kraftsport?» dar.

Den Einfluss, den eine zielangepasste und bedarfsorientierte Ernährung auf die sportliche Leistungsfähigkeit hat, ist in der Fachliteratur unumstritten. Teilweise wird der Ernährung in bestimmten Disziplinen sogar eine weitaus grössere Rolle zugesprochen als dem Training selbst. Welche Ernährungsform bezüglich der Leistungsfähigkeit vorteilhafter ist, hat in den vergangenen Jahren zur Ausbildung zweier Fronten geführt: der stark zunehmende Trend einer rein pflanzlichen, veganen Kost gegenüber der konventionellen mit tierischen Lebensmitteln angereicherten Mischkost. Doch was zeigen die wissenschaftlichen Daten? Welche Nährstoffe sind relevant und werden möglicherweise defizitär bei zunehmender Einschränkung der Lebensmittelauswahl und unter dem Aspekt des sportbedingten Mehrbedarfs?

Charakteristika der veganen Ernährungsform

Durch den Verzicht auf jegliche tierische Lebensmittel fallen für vegan lebende Personen weite Teile des menschlichen Nahrungsspektrums weg. Fleisch, Fisch (und andere aquatische Tiere), Eier, Honig, Milch und jegliche aus Milch gewonnenen Produkte wie Quark, Joghurt, Käse oder Butter sind nur einige Lebensmittel, auf die Veganer verzichten. Diese und weitere tierische Bestandteile, die als Hilfsstoffe in der Produktion anderer Lebensmittel Verwendung finden, gehören ebenfalls nicht zur Lebensmittelauswahl. Veganer verzehren dafür durchschnittlich wesentlich mehr Obst, Gemüse (inklusive Hülsenfrüchten), Vollkorngetreide, Nüsse und unverarbeitete Lebensmittel. Das ist äusserst positiv zu bewerten, denn der häufige Verzehr dieser Lebensmittelkategorien geht mit einer Fülle an gesundheitsförderlichen Effekten einher.

Die vegane Kost führt zu einer höheren Aufnahme von Antioxidanzien, Kalium, Folat, Vitamin C und E, Magnesium, Ballaststoffen und einer grossen Vielfalt an sekundären Pflanzenstoffen. Die Zufuhr von in der Kritik stehenden gesättigten Fettsäuren und Cholesterol ist aufgrund des Verzichts auf tierische Lebensmittel verminderter bis nahezu nicht vorhanden. Weiterhin ist die Energieaufnahme häufig geringer als bei Mischkost, da pflanzliche Lebensmittel meist fettarm und ballaststoffreich sind und durch das grössere Nahrungsvolumen zu einem stärkeren Sättigungsgefühl führen. Das kann es vegan lebenden Personen erleichtern, ihr Körpergewicht besser unter Kontrolle zu halten. Der Kohlenhydratanteil in der veganen Ernährung ist höher, da pflanzliche Lebensmittel und hier vor allem Getreideprodukte wie Brot, Reis oder Nudeln sehr hohe Kohlenhydratanteile aufweisen. Die Aufnahme von Proteinen sowie von langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA & DHA) ist geringer als bei Mischkost und kann auch bei einer körperlich wenig aktiven Person gegebenenfalls defizitär werden. Auf der Ebene der Mikro-nährstoffe gelten vor allem die Vitamine und Mineralstoffe Vitamin B2, Eisen, Kalzium, Zink, Jod, Selen und insbesondere Vitamin B12 als kritische Nährstoffe. Eine adäquate Zufuhr wird zusätzlich durch die schlechtere Bioverfügbarkeit vieler pflanzlicher Nährstoffe erschwert, die durch sogenannte antinutritive Stoffe der Pflanze in ihrer Aufnahme gehemmt werden können.

Bedeutung im Kraftsport

Die wichtigsten Energieträger zur Erbringung sportlicher Leistung sind die Kohlenhydrate. Sie sind aufgrund der schnellen Energieflussrate für alle körperlichen Belastungen, insbesondere aber für die Kraftdisziplinen von grosser Bedeutung. Wie bereits erwähnt, ist der Kohlenhydratanteil in der veganen Kost oft höher und damit für das Krafttraining von Vorteil. Jedoch kann es für manche Personen, insbesondere dann, wenn hohe Trainingsumfänge und ein hoher Regenerationsbedarf herrschen, zu einer mangelnden Gesamtenergiezufuhr kommen. Das liegt vor allem sowohl an der geringeren Energiedichte vieler pflanzlicher Lebensmittel als auch an dem höheren Ballaststoffanteil. Beide Faktoren führen zu einem vergleichsweise höheren Nahrungsvolumen und einer langsameren Magen-Darm-Passage, was letztlich in einer stärkeren Sättigung mündet. Das erschwert die ausreichende Energiezufuhr und kann je nach Aktivitätsumfang und daraus resultierendem Mehrbedarf dazu führen, dass das Trainingspensum nicht lange aufrechterhalten werden kann und darüber hinaus die muskulären Anpassungsprozesse limitiert sowie die Immunsuppression begünstigt werden.

Der wichtigste Baustoff und Signalgeber für das Muskelwachstum sind die Proteine. Sie leiten zudem regenerative Prozesse ein und begünstigen den Immunstatus. Ausnahmsweise gilt im Sport bezüglich der Proteinzufuhr: Quantität vor Qualität. Dennoch ist die Qualität nicht unbedeutend: Die biologische Wertigkeit pflanzlicher Proteine ist niedriger als die der tierischen, sodass Veganer betont proteinreiche Lebensmittel miteinander kombinieren und verzehren müssen, um deren Wertigkeit für den menschlichen Körper zu erhöhen. Ebenso ist die Gesamtproteinzufuhr bei einer veganen Kost tendenziell geringer bis teilweise defizitär und kann beim Sportler, der einen wesentlich höheren Bedarf an Proteinen haben kann, zu einem äusserst kritischen Nährstoffmangel führen. Die physiologischen Anpassungsreaktionen und die Leistungsfähigkeit wären bei einer unzureichenden Zufuhr limitiert und könnten bei anhaltender inadäquater Zufuhr sogar gesundheitlich negative Folgen wie eine erhöhte Infektanfälligkeit und einen gesteigerten Abbau von Muskelproteinen nach sich ziehen.

Eine vegane Kost geht auch mit niedrigeren Kreatinphosphatspeichern einher, wodurch die Leistungsfähigkeit im Kraft- und Schnellkraftsport ungünstig beeinflusst sein kann. Ebenso ist der Eisenstatus vieler Veganer unterdurchschnittlich, insbesondere bei Frauen und erst recht dann, wenn diese im Ausdauersport aktiv sind. Denn Eisen wird vor allem für den Sauerstofftransport, aber beispielsweise auch zur Energiegewinnung benötigt. Gründe für die oft unzureichende Versorgung sind die schlechtere Aufnahme des pflanzlichen im Vergleich zum tierischen Eisen und die höheren Verluste durch die Menstruation und eben den Sport. Für Kalzium und Zink können die Aufnahmeraten durch die antinutritiven Stoffe der Pflanze ebenfalls vermindert und die Verluste durch den Sport erhöht sein.

Ernährungsmassnahmen für vegane Kraftsportler

Die vegane Ernährung bringt einige Hürden in Bezug auf eine bedarfsgerechte Ernährung mit sich. Insbesondere gestaltet sie sich herausfordernder, wenn durch körperliche Aktivität der Bedarf sukzessive mit dem Trainingspensum steigt. Um dieser Situation gerecht zu werden, verlangt es einer zunehmenden Auseinandersetzung mit der Thematik und einer relativ hohen Ernährungskompetenz. In jedem Fall sollte sich um Abwechslung in der eingeschränkten Lebensmittelauswahl bemüht werden. Verschiedene Zubereitungsmethoden wie das schonende Garen, Gärungs- oder Quellverfahren und die gezielte Kombination von z. B. Vitamin-C-reichen mit eisenreichen Lebensmitteln verbessert die Aufnahme und reduziert die Aktivität der Hemmstoffe. Tabelle 1 bildet zusammengefasst die kritischen Nährstoffe einer veganen Ernährungsweise ab und stellt die verschiedenen Lebensmittel und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Nährstoffzufuhr dar. Durch die geschickte Auswahl, Kombination und Zubereitung der Lebensmittel, mittelfristig ergänzt mit einem Vitamin-B12-Präparat, kann so eine solide Basis für ein erfolgreiches Krafttraining aufgebaut werden (vgl. Tab. 1).

Tab. 1: Möglichkeiten zur Verbesserung der Nährstoffzufuhr bei veganer Ernährung.

Fazit

Eine gut geplante vegane Ernährung kann als Basis für leistungsorientiertes Krafttraining dienen. Wichtig ist jedoch, dass nicht einfach tierische Lebensmittel aus der Ernährung entfernt werden. Damit keine Nährstoffdefizite entstehen, sollten die tierischen Lebensmittel sinnvoll und vor allem in einer wohlüberlegten Kombination durch pflanzliche Nahrungsmittel ersetzt werden. Mittelfristig ist eine Supplementierung von Vitamin B12 empfehlenswert.

Auszug aus der Literaturliste

  • Clark, M. A., Springmann, M., Hill, J. & Tilman, D. (2019). Multiple health and environmental impacts of foods. PNAS, 116 (46), S. 23357–23362.
  • Kerksick, C. M., Wilborn, C. D., Roberts, M. D., Smith-Ryan, A., Kleiner, S. M., Jäger, R. et al. (2018). ISSN exercise & sports nutrition review update: research & recommendations. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 15 (38).

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Dennis Pfaff

Dennis Pfaff absolvierte von 2010 bis 2017 die Studiengänge B. Sc. Bewegung und Gesundheit sowie M. Sc. Ernährungswissenschaften. Sein Interesse gilt dem Fitnesstraining und ganzheitlichen Lösungsansätzen rund um das Thema Gesundheit.

Niklas Schwarz

Niklas Schwarz, B. A. Ernährungsberatung, ist an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie an der BSA-Akademie im Fachbereich Ernährung als Dozent, Autor und Tutor tätig. Er hat mehrjährige Erfahrung als Fitnesstrainer sowie Ernährungscoach in der Betreuung von Sportlern sowie übergewichtigen Personen.

www.dhfpg-bsa.de