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Wie wir verhindern, schleichend enteignet zu werden

Mein Onkel war Landwirt. Mit 40 ha Land zählte sein Hof damals zu den grös-seren Betrieben. Dank der Investition in neue Maschinen schuf er jedoch Voraussetzungen, um eine noch viel grössere Fläche bewirtschaften zu können. Deshalb pachtete er zu seinem eigenen Land das Land seines Nachbarn dazu. Der war alt und freute sich über die monatliche «Rente». Solche Pachtverträge «machten Sinn». Neben der Landwirtschaft spricht man allerdings auch in der Gastronomie von Pacht. Zum Beispiel dort, wo die Wirtschaft der Brauerei gehört, während der Wirt vom Bier lebt, das er zapft. Wie weit ein solches Pachtverhältnis Sinn macht, sei dahingestellt. Nicht selten sind Wirte, die in einem solchen Pachtverhältnis stehen, nur noch besserverdienende Zapfer, die jedoch voll im Risiko hängen und nicht die wirtschaftliche Absicherung eines Angestellten geniessen.

Für alle, die den Unterschied von Pacht und Miete nicht gleich parat haben: Ein Pferd wird gemietet, eine Kuh gepachtet. Der Unterschied liegt im «Fruchtziehungsrecht». Das Pferd wird nur zum Gebrauch überlassen, die Kuh jedoch wird gemolken. Das Fruchtziehungsrecht erlaubt dem Pächter, «die Erträge, die mit der Benutzung der Sache einhergehen, zu behalten». Der Bauer darf also ernten, aber die Kuh, das Land, der Baum gehört nicht ihm. Selbst wenn die Endverbraucher ihre Erdbeeren selbst pflücken, bekommt der Pächter lediglich den Ertrag aus der Ernte. Und da stellt sich die Frage: Inwieweit handelt es sich bei vielen Fitnessclubs noch um eine Mietsache oder schon um eine Pacht?

Der Unterschied zwischen Pacht und Miete fällt den Unternehmern oft erst auf, wenn sie sich am Ende ihres Berufslebens überlegen, ob sie ihren Nachfolgern noch etwas zu hinterlassen haben oder ob sie eigentlich nur noch froh sind, wenn jemand in ihren Pachtvertrag einsteigt und sie aus dem Risiko erlöst.

Als ihren eigentlichen Firmenwert betrachten die Einzelstudios heute in der Regel ihren Kundenstamm. Deshalb stehen sie der Digitalisierung ihrer Kundendaten auch sehr skeptisch gegenüber. Ich kann das gut nachvollziehen, denn als Autor bin ich in gleicher Weise betroffen. Lasse ich zu, dass mein Buch als Hörbuch herausgegeben wird, öffnet das der unkontrollierten Verwendung Tür und Tor. Für das Filmen meiner Vorträge gilt das gleiche. Aber kann man sich dagegen überhaupt noch wehren? In der Musikindustrie jedenfalls haben Plattformen wie Deezer und Spotify alles auf den Kopf gestellt. Machten die Musiker früher mit Live-Auftritten PR für ihre Schallplatten, nutzen sie die digitale Plattform heute, um über die Streaming-Dienste ihre Live-Veranstaltung zu promoten. Deshalb kosten Konzert-Eintrittskarten, die früher für 20 DM zu haben waren, heute jenseits von 100 Euro. Könnte es den Einzelstudios in naher Zukunft genauso gehen, wenn ihre Kundendaten erst auf den Servern Dritter liegen?

Die Wirtschaft spricht von Aggregatoren-Business. Aggregatoren (aggregare = sammeln) sind «Dienstleister, die Medieninhalte sammeln, aufbereiten und gegebenenfalls kategorisieren. Beispiele für solche Inhalte sind digitalisierte Filme, Fotos, Musik, Bücher, Nachrichten und Rezensionen» (Wikipedia). Was Aggregatoren ausserdem gern sammeln, sind Kundendaten. Aber was geschieht mit denen, wenn sie sie erst einmal haben?

Mit meinem Faible für Superhelden würde ich den «Aggregator» inzwischen als einen X-Men-Mutanten der Stufe 5 klassifizieren, während der «Terminator» von mir heute schon nur noch eine Stufe 4 erhielte. Der Terminator will seinen Wettbewerber – wenn möglich – «eliminieren». Am besten aus der Zukunft zurückreisen in die Vergangenheit, um das Problem gleich dort zu lösen, wo es entstanden ist. Auf die Wirtschaft übertragen heisst das, dass der «Terminator» verhindern möchte, dass der Wettbewerb überhaupt Fuss fasst. Zu diesem Zweck baut er «Markteintrittsbarrieren» auf. Hat der Wettbewerber Fuss gefasst, setzt sich der Terminator gegen ihn zur Wehr. Der «Aggregator» dagegen will den Wettbewerb nicht vernichten. Ganz im Gegenteil: Sein Ziel ist es, ihn bestmöglich zu nutzen. Der «Aggregator» überlässt seinen Wettbewerbern die Arbeit, die Bindung von Kapital, die anfallenden Fixkosten und das unternehmerische Risiko und sammelt lediglich deren Kundendaten und damit ihren Firmenwert ein. Wenn es in der Fitnessbranche soweit gekommen ist, inwieweit sind die Betreiber von Einzelstudios dann noch «freie Unternehmer»?

Als ihren eigentlichen Firmenwert betrachten die Einzelstudios in der Regel ihren Kundenstamm

Wie wir uns unsere Handlungsfähigkeit bewahren

Generell entstehen Abhängigkeiten durch ein Missverhältnis von Besitz und Vermögen. Wobei «Vermögen» in seiner Bedeutung nicht beschränkt ist auf die wirtschaftliche Bestandsgrösse eines Unternehmens. Vermögen – so wie ich es hier verstehe – umfasst nicht nur das, was man hat, sondern ebenso das, was man vermag zu haben, und nicht nur das, was man tut, sondern auch das, was man zu tun vermag. Wer sich zum Beispiel von Banken Geld leiht, begibt sich in Abhängigkeit zu seinen Banken. Und wer mit dem Vermögen anderer, Mitglieder zu gewinnen, Kunden gewinnt, der begibt sich nicht nur in Abhängigkeit zu seinen Banken, sondern auch zu denen, die Mitglieder zu generieren vermögen. In diesem Fall sind sowohl das Geld als auch die Mitglieder eigentlich nur «geliehen». Zu unseren Mitgliedern werden sie erst, wenn sie sich bewusst für uns entscheiden. Denn erst, wenn sich unsere Mitglieder bewusst für uns entschieden haben, sind sie zu unseren «Fans» geworden. Und «Fans» kann man uns so einfach auch nicht mehr nehmen. Selbst den Aggregatoren wird das nicht gelingen. Sollen Sie «Kundendaten» sammeln, die Menschen werden sie nicht bekommen.

Ein aktuelles Beispiel dafür, was ein Einzelner zu tun vermag, wenn er Fans hat, zeigt der kleine Schachzug von Ronaldo. Er stellte einfach nur eine Flasche Cola zur Seite. Völlig unabhängig davon, ob diese kleine Aktion nun bei Coca-Cola zu Milliardeneinbrüchen geführt hat oder nicht, eines ist sicher: Ronaldo hat mit einem Schachzug Einfluss genommen auf den Geldfluss von Milliarden. Und diesen Einfluss nahm er nicht mit seinem Geld. Er nahm Einfluss mit seinen Fähigkeiten, mit denen er Millionen Fans begeistert. Sein eigentliches «Vermögen» also ist nicht sein Geld. Sein Vermögen liegt in seinen Fähigkeiten. Und prinzipiell gilt das für uns alle. Ich habe zum Beispiel erst vor ein paar Wochen einen Vortrag von Ronald Glavanics, Fitnessclubbetreiber aus dem Burgenland, gehört. Er begann folgendermassen:

«Mein Name ist Ronald Glavanics. Ich bin Physiotherapeut und Inhaber dieser Anlage. Eröffnet habe ich diesen Fitnessclub, weil ich erkannt habe, dass ich durch Physiotherapie bei einem akuten Problem zwar helfen kann, aber die Physiotherapie kann die Ursache für das Problem nicht lösen. Das geht nur, wenn wir aktiv etwas tun gegen den altersbedingten Muskelverlust. Denn ab dem 30 Lebensjahr verlieren wir bis wir 80 sind, fast die Hälfte unserer Muskulatur. Und mit unseren Muskeln verlieren wir unsere Freiheit, und zwar in Form unserer drei wichtigsten Freiheitsgrade. Das ist zum einen unsere Bewegungsfreiheit, zum anderen unsere Schmerzfreiheit, also das Freisein von chronischen Schmerzen, und nicht zuletzt auch die Freiheit der eigenen Entscheidungen über unser eigenes Leben.

Die Wissenschaft weiss heute schon, dass wir zwar immer älter werden, aber dass jeder zweite Mann pflegebedürftig wird und von vier Frauen drei. Wir werden also immer älter, aber wenn wir im Alter pflegebedürftig werden, haben wir die «Todesstrafe» ja eigentlich nur durch «Lebenslänglich» ersetzt. Deshalb ist meine Vision, dass für Sie die Muskelpflege so selbstverständlich wird wie die Zahnpflege. Denn nur, wenn wir unsere Muskeln so gewissenhaft trainieren wie wir unsere Zähne pflegen, werden wir im Alter so stark sein, dass wir niemals pflegebedürftig werden. Die Pfleger in den Pflegeheimen können sich dann um die wirklich Pflegebedürftigen kümmern, weil gesunde Senioren mit einer starken und gepflegten Muskulatur auch in hohem Alter noch in ihren eigenen vier Wänden ein eigenverantwortliches Leben führen.

Ich wünsche mir sehr, dass hier bei uns in Stegersbach Rollatoren aus dem Strassenbild verschwinden, denn starke 80jährige brauchen weder einen Rollator noch einen Treppen-Lift. Wenn meine Vorstellungen auch zu den Ihren und eines Tages Realität werden, dann werden selbst Hochbetagte nicht mehr an den Rand der Gesellschaft geraten, sondern immer noch ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben im Kreise ihrer Liebsten führen.

Bedenken Sie aber bitte: Muskeltraining heisst nicht, sich an unseren Geräten zu bewegen. Muskeltraining ist, wenn Sie stark werden! Richtig stark! Sie mögen glauben, so stark müssten wir nicht mehr sein, schliesslich sei es für uns nicht mehr lebenswichtig, dass wir uns mit einem Klimmzug und einem Aufschwung auf einen Baum retten können, weil uns heute selten noch gefährliche Tiere bedrohen. Aber dennoch benötigen Sie all Ihre Kraft auch heute noch, da alle anderen Ihrer Organe in ihrer Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit in direkter Abhängigkeit stehen zur Kraft Ihrer Muskulatur. Wer seine Muskelkraft also verliert, der verliert niemals nur seine Muskelkraft, sondern mit dem Verlust seiner Kraft die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit aller Organe seines Organismus. Und das gilt nicht nur für unsere Knochen, Sehnen, Bänder und Gelenke, sondern ebenso für die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit unseres Herz-Kreislaufsystems, unserer Gehirnleistungsfähigkeit, der Leistungsfähigkeit unseres Immunsystems und der Entspannungsfähigkeit unseres Nervensystems. Geben Sie sich deshalb nicht mit weniger zufrieden. Wenn Sie sich dazu entscheiden, hier bei uns zu trainieren, dann dürfen Sie einen messbaren, spürbaren und sichtbaren Trainingsnutzen erwarten. Denn stellen Sie sich den Nutzen vor, den Sie haben, wenn Sie auch mit 80 Jahren die Kraft für 40 Liegestütze und 5 Klimmzüge noch haben und 4 Stockwerke immer noch in weniger als 40 Sekunden hinauf-«fliegen»? Sind Sie dann wohl eher übergewichtiger oder eher schlanker? Und Ihre Knochen: Wären die zerbrechlicher oder stabiler? Hätten Sie in Ihren Gelenken und im Rücken grössere Schmerzen oder wären Sie vielleicht schmerzfrei? Würden Ihre Sehnen und Bänder schneller reissen oder wären sie reissfester? Lebten Sie in ständiger Sorge vor einem Herzinfarkt oder müssten Sie sich um Ihre Herz-Kreislaufgesundheit so wenig Gedanken machen wie in jungen Jahren? Wäre Ihre Immun-abwehr gegen Krebserkrankungen oder Infektionen schlechter ober besser aufgestellt? Kämen Sie noch mit Mühe zum Bäcker oder führen Sie vielleicht noch selbständig in Urlaub? Wären Sie auf einen Pfleger angewiesen oder würden Sie selbst noch Ihre Kontakte pflegen? Was also spricht dagegen, sein vorrangiges Trainingsziel darin zu sehen, mit 80 Jahren mindestens 3 bis 5 Klimmzüge zu schaffen? Deshalb seien Sie nicht schon zufrieden, nur weil Sie sich durch Ihr Training hier bei uns ein wenig besser fühlen. «Betreutes Bewegen an Geräten» taugt bestenfalls zur Vorbereitung auf «betreutes Wohnen». Für ein so bescheidenes Ergebnis benötigen Sie kein Fitnessstudio, das schaffen Sie schon allein, indem Sie sich einfach etwas mehr bewegen. Trainieren heisst aber nicht, sich mehr zu bewegen. Trainieren beginnt auch nicht dort, wo das Bewegen anstrengend wird. Training ist vielmehr ein geplanter Prozess, der auf physiologischen Gesetzmässigkeiten basiert. Und wenn Sie ein Spiel spielen, dann können Sie nur gewinnen, wenn Sie von diesem Spiel auch die Regeln kennen. Deshalb gehen Sie nicht einfach an die Geräte, sondern achten Sie darauf, dass Sie alle Informationen erhalten, die für Sie wichtig sind, und die liefere ich Ihnen in meinen Vorträgen.»

Natürlich kenne ich diesen Vortrag. Er ist Teil meiner Schulung. Ronald hat seine rhetorischen Fähigkeiten trainiert und hält ihn so mitreissend und überzeugend, dass auch ich sofort sein Fan war. Obwohl er ihn erst seit der Wiedereröffnung nach dem Lockdown hält, sass bereits ein Unternehmer darin, der Ronald für seine Mitarbeiter zu sich in seine Firma einlud. Dort hat er den gleichen Vortrag vor 25 Mitarbeitern gehalten. Und nun stellen Sie sich vor, dass in seinen ersten Vorträgen vielleicht 5 Leute sitzen, nach zwei, drei Jahren vielleicht schon 50, und nach weiteren zwei, drei Jahren füllt er mit seinen Vorträgen vielleicht schon die Stadthalle mit 500 Leuten. In kürzester Zeit kennt ihn die ganze Stadt. Und wann ist sein Einfluss wohl grösser? Wenn er vor 5 Leuten spricht in seinem Studio oder in der Stadthalle vor 500? Wenn er diese Fähigkeiten erworben hat, muss er keine Werbung mehr auf Stühle legen, damit sich die Menschen bei ihm anmelden. Dass sich die Menschen bei ihm anmelden werden, wird er gar nicht mehr verhindern können. Die Menschen werden bereits seine Fans sein, noch bevor sie seinen Fitnessclub betreten. Und Fans, die können ihm auch die Aggregatoren nicht mehr nehmen. Deshalb sollte jeder Fitness-Unternehmer niemals nur in seinen «Mitgliederbesitz» investieren, sondern immer auch in sein Vermögen, Menschen als Fans zu gewinnen.

In seine Fähigkeiten investieren, neue Mitglieder zu generieren, funktioniert jedoch nicht wie eine x-beliebige Kampagne. Früher spülten uns solche Kampagnen unter Umständen in einer Aktion 100 neue Mitglieder ins Studio hinein. Aber diese Mitglieder waren – wie bereits gesagt – auch nur «geliehen». Betrachten wir sie als einen Kredit, genauso wie unser Startkapital. Die Arbeit, sie zu unseren Fans zu machen, stand uns deshalb auch damals immer noch bevor. Seine Kunden selbst generieren zu können, ist dagegen bereits Teil unseres Vermögens. Vermag man selbst Mitglieder zu gewinnen ist das, als brauche man von seiner Bank kein Kapital mehr, sondern hätte das Geld bereits auf seinem Konto liegen. Und je grösser unser Vermögen, desto eher bewahren wir uns unsere Handlungsfähigkeit. Gegenüber den Banken, den Marketingexperten und genauso gegenüber den Aggregatoren.

Wenn die Mitglieder nicht mehr ihrem Trainer, sondern irgendwelchen Influencern vertrauen, dann sollten bei den Trainern alle Alarmglocken läuten.

Was letztlich entscheidet, ist aber immer das Ergebnis

Gerade eben las ich im Business Insider, der zweitreichste Mann der Welt habe alle seine Anwesen im Wert von über 100 Millionen Dollar verkauft und lebe jetzt in einem Tiny House für einen Neuwert von 50’000 Dollar auf 37 Quadratmeter. Elon Musk: Wenig Besitz, aber ein riesiges Vermögen. Wobei ich mit seinem Vermögen auch hier nicht die wirtschaftliche Bestandsgrösse seines Unternehmens meine, sondern seine persönlichen Fähigkeiten, ein so immenses Vermögen in so kurzer Zeit zu generieren. Elon Musk stellt sich vor sein Publikum und begeistert es mit seinen Visionen. Zum Beispiel den Mars zu besiedeln, weil die Menschheit diesen Planeten irgendwann wird verlassen müssen oder aber um umweltbelastende Produktionsverfahren auf einen unbewohnbaren Planeten auszulagern. Gleichzeitig begeistert er sein Publikum von E-Autos, damit unsere Erde noch viel länger bewohnbar bleibt, weil wir Zeit gewinnen müssen für die Suche nach einem geeigneten Planeten. Dabei spricht er von Autos, die er nicht eher beginnt zu bauen, als er sie verkauft hat. Noch verrückter: Erst nachdem er die Autos verkauft hat, denkt er über die Fabrik nach, die er nun benötigt, um diese Autos zu produzieren. Vielleicht ist das das Mass an Handlungsfähigkeit, das man im Wettbewerb zu Jeff Bezos benötigt, um als erster Mensch mit der eigenen Rakete in den Weltraum zu fliegen – und vielleicht sogar den Mars zu besiedeln. Ich weiss das alles gar nicht so genau, aber eines ist sicher: Die Menschen sind begeistert von seinen Visionen. Damit hat er geschafft, was VW lange zuvor selbst mit einem Millionen-Werbebudget nicht gelungen war: Die Menschen vom E-Auto zu begeistern. Denn den E-Golf hat es längst schon gegeben. Den Menschen fehlte lediglich die Vision, ein solches Auto fahren zu wollen. Aber Visionen hin oder her: Der Tesla wird letztlich zeigen müssen, ob er gegen «deutsche Ingenieurskunst» bestehen kann. Denn mit seinen Visionen half Elon Musk auch seinen Wettbewerbern. Und letztendlich: Entscheiden wird immer das Ergebnis.

Ob der altbekannte Diesel oder die Vision für das Elektro-Auto: Mit Muskeln ist das gar nicht so viel anders. Auch die Fitnessclubs verkaufen derzeit noch lieber, was nachgefragt wird, als die Menschen zu begeistern mit ihren Visionen. «Mehr Bewegung, gesunde Ernährung und Gesundheit» verkauft sich im Moment nun mal noch besser als einfach nur «starke Muskeln». Damit orientieren sich die Fitnessclubs wie unsere Autobauer an dem, was der Kunde möchte. Die Visionen überlassen sie anderen. Denn wie wichtig starke Muskeln wirklich sind, das erfahren unsere Kunden derzeit nicht durch uns, sondern durch Berichte im Fokus, in GEO oder von ihren Influencern. Wenn die Fitnessclubs deshalb ihre Mitglieder irgendwann an die Aggregatoren verlieren werden, haben die sie ihnen nicht gestohlen, sondern sie haben sie ihnen kampflos überlassen.

«Ja, aber die Leute wissen doch, dass sie was tun müssen. Was sollen wir ihnen da noch erzählen?» Mit diesem Satz beginne ich mein neues Buch. Ja! Mag sein, dass die Leute das wissen. Aber vom unglaublichen Nutzen, den starke Muskeln für sie haben, dafür fehlt unseren Kunden immer noch jegliche Vorstellungskraft. Sie brauchen Menschen wie Ronald Glavanics, die sie anstecken mit ihren Visionen. Aber natürlich darf es bei Visionen nicht bleiben. Wer sich in Zukunft seine Handlungsfähigkeit bewahren will, der benötigt nicht nur Elon Musks Fähigkeiten für Visionen, sondern auch «deutsche Ingenieurs-kunst» für das beste Auto. Und damit meine ich nicht einen in seinen Abgaswerten geschönten Diesel, sondern das fortschrittlichste Auto für eine bessere Zukunft. Mit anderen Worten: Wenn ich die Menschen davon begeistere, mit 80 Jahren noch drei bis fünf Klimmzüge zu schaffen, dann sollten 8 von 10 alten Menschen, die bei uns traineren, das auch schaffen. «Betreutes Bewegen» kann ich ihnen dann nicht mehr liefern.

Im Alter die Kraft von 30jährigen zu haben, halten die Kunden – wenn sie zu uns kommen – für so realistisch wie den Mars zu besiedeln. Und das ist auch gut so. Denn glaubten sie, dass sie es schaffen, würden sie vielleicht auch glauben, sie schafften es allein. Dass sie alle in der Lage sind, Klimmzüge zu machen, damit werden wir sie überraschen und wir werden sie damit begeistern. Schlimm ist nur, wenn die Trainer in den Einzelstudios daran selbst nicht glauben. Denn dieses Ziel zu erreichen, das ist ihre Aufgabe. Wenn mehr als die Hälfte der Menschen im Alter pflegebedürftig wird, und die andere Hälfte wird es nicht, dann, weil diese Hälfte im Alter von 80 Jahren immer noch Klimmzüge macht, und zwar aufgrund der exzellenten Arbeit unserer Trainer. Wenn die Einzelstudios das schaffen, werden sie ihre Handlungsfähigkeit auf alle Zeit bewahren.

In meinem neuen Buch beschreibe ich im Kapitel «Trainingsdokumentation» aus gutem Grund keine App, sondern mache deutlich, warum die Mitglieder keine App, sondern einen fähigen Trainer brauchen. Die Begründung liest sich folgendermassen:

Gibt es dafür keine App?

[…] Wahrscheinlich werden Sie sich fragen, warum ich Ihnen im digitalen Zeitalter hier mit einem Blatt Papier komme. Die Antwort ist einfach: Ich kenne bislang keine App, die meine Ansprüche an eine sinnvolle Trainingsdokumentation erfüllt. Alle Apps, die ich kenne, sammeln Daten und vergeben Scores oder Level und feiern ihre User für ihren Trainingserfolg. Das ist auch sehr motivierend, solange man Erfolg hat. Und bei vielen Apps stellt sich mir auch die Frage, was die als Erfolg bezeichnen. Es gibt Apps, die feiern ihre User schon allein dafür, dass sie trainiert haben. Belohnt wird also der Fleiss statt des Erfolges. Das allerdings reicht mir für eine Engpassanalyse im Sinne der engpasskonzentrierten Trainingsstrategie – siehe an anderer Stelle in diesem Buch – bei weitem nicht aus. Deshalb erläutere ich Ihnen in diesem Kapitel die Engpassanalyse anhand des Trainingsplans, den ich 1984 für mein eigenes Training ersann. Entnehmen Sie meinen Erläuterungen nur die Idee. Wenn Ihnen die Idee gefällt, und Sie kennen eine App, die Ihren Ansprüchen genügt, dann verwenden Sie gerne die App. Denn digitale Lösungen vereinfachen das Sammeln und Auswerten von Daten natürlich ungemein (Ende Buchauszug)».

Natürlich kann ich den Einzelstudios damit nur Zeit geben, den Sprung vom Dienstleister zum Wissensanbieter zu schaffen. Die Arbeit der Trainer in den Clubs wird sich dafür aber ändern müssen. Denn wenn die Mitglieder – vor allem die jüngeren Leute – nicht mehr ihrem Trainer vertrauen, sondern irgendwelchen Influencern, dann sollten bei den Trainern im Einzelstudio alle Alarmglocken läuten. Deshalb sollten die Einzelstudios niemals nur in ihren Kundenbesitz investieren, sondern immer auch in ihr Vermögen, Kunden zu gewinnen und dauerhaft zu begeistern. Denn wie bei Ronaldo sind unser grösstes Vermögen unsere Fähigkeiten. Wir haben sie schon mit auf die Welt bekommen und müssen lediglich noch daran feilen.

Wenn die Mitglieder nicht mehr ihrem Trainer, sondern irgendwelchen Influencern vertrauen, dann sollten bei den Trainern alle Alarmglocken läuten.

Die Experten-Allianz für Gesundheit e. V.

Einer der grössten Fürsprecher, sein Vermögen in seinen Fähigkeiten zu sehen, und deshalb immer auch in seine Fähigkeiten zu investieren, ist Mario Görlach. Dafür hat er mich damals zu MILON geholt und den MILON-Coach ins Leben gerufen, dafür hat er mich zu EGYM geholt, um dort die EGYM-Masterausbildung zu übernehmen. Seit ich ihn kenne, sind für ihn Geräte Werkzeuge, und je hochwertiger die Werkzeuge, desto hochwertiger sollten seiner Ansicht nach auch die Fähigkeiten derer sein, die diese Werkzeuge für ihre Aufgaben nutzen. Um dieses Ziel in Zukunft unabhängig von der Marke der Geräte verfolgen zu können, hat er die Experten-Allianz für Gesundheit e. V. gegründet. Mit ihr verfolgt er das Ziel, die Interessen der Fitnessclubs gegenüber der Politik zu vertreten, aber auch die Fitnessstudios zu Experten im Aufbau und in der Erhaltung der Muskulatur zu machen. Denn es deutet alles darauf hin, dass ihr Kerngeschäft, starke Muskeln, schon bald einer der wichtigsten Beiträge sein wird innerhalb einer der globalen Herausforderungen unserer Zeit: Der eigenverantwortlichen Gesundheitsprävention.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“. Experte der „Experten Allianz für Gesundheit e. V.“