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Spinning / Indoor Cycling – Totgesagte leben länger!

Teil 1

Als Erfinder des Spinning gilt der südafrikanische Radrennfahrer Jonathan «Jonny G» Goldberg. Goldberg befand sich gerade in der Vorbereitung auf das 3’100 Meilen lange «Race across America», eine der härtesten Radtouren der Welt, als er bei einem nächtlichen Training nur knapp dem Unfall-Tod entkommen konnte. Der damals 31-Jährige entschloss sich daraufhin, seine Vorbereitung von nun an hauptsächlich in den eigenen vier Wänden durchzuführen. Sein selbst kreiertes Trainingsprogramm fand bei Freunden und Nachbarn zunehmend Anklang, denn beim Spinning konnte man effektiv und risikoarm etwas für die Gesundheit tun. In den folgenden Jahren optimierte Goldberg sein Indoor-Training immer weiter und kombinierte es mit Musik – Anfang der 1990er Jahre entstand schliesslich das heutige Spinning. War Goldberg zu Beginn seines Indoor-Trainings noch mit einem herkömmlichen Strassen-Bike auf dem Laufband geradelt, konnte er nur vier Jahre später mit seinem Geschäftspartner John Baudhuin das erste kommerzielle Spinning-Bike auf den Markt bringen. Im Jahr 1994 gründeten die beiden schliesslich die Firma «Mad Dogg Athletics» und liessen sich den Begriff Spinning als geschützte Marke eintragen.

Master Instructor Camp in Spanien (2000). Dieses Team bildete in 5 Jahren 20’000 Instruktoren aus

Die Geschichte des Indoor Cyclings

1994: Johnny G. präsentierte seine Idee Schwinn. Schwinn gehörte damals zur Scott Gruppe mit Sitz in Boulder, Colorado und Givisiez, Fribourg. Erstes Bike in der Schweiz: Urs Mosimann präsentierte den Hochschulsportlehrern des ASVZ in Zürich einen Prototypen.

1995: Lancierung an der IHRSA in den USA und an der FIBO in Essen.

12./13.Juni 1995: Weltweit erste Ausbildung zum Spinning Instructor in München. Vier Schweizer Teilnehmer: Theres Mosimann, Markus Egli, Urs Mosimann, Osi Scherrer. Innerhalb eines Jahres wurde Spinning, dank der Stärke des Fahrradherstellers Scott, auf allen Kontinenten angeboten.

13. bis 21.April 1996: Die erste internationale Master Instructor Ausbildung mit Johnny G. und Joelle Mancuso fand in Gstaad statt. Acht Teilnehmer, die Schweiz wurde durch Theres Mosimann vertreten. Sie wurde danach Director of International Training und entwickelte mit ihrem Team die Spinning und später die SchwinnCycling Ausbildung. Sie behielt diese Position zehn Jahre lang.

1996 erste Master Instructor Ausbildung (mit Erfinder Jonny G. und John Baudhuin von MDA/Spinning)

Bis 2000 wurden vom Schweizer Office aus weltweit (ausser USA und Kanada) über 20‘000 Instruktoren zum Johnny G. Spinning Instructor ausgebildet, wobei pro Zweitageskurs maximal 20 Teilnehmer akzeptiert und somit die Qualität hochgehalten wurde. In keinem anderen Land Europas wurden so viele Instruktoren aus- und weitergebildet (pro Kopf der Bevölkerung) wie in der Schweiz, primär im Fitness Zentrum Wetzikon von Ariane und Markus Egli, aber auch in der Westschweiz und im Tessin.

Rechtsstreit zwischen Spinning und Schwinn. Gründung von SchwinnCycling. Einige erfolgreiche Länder (z. B. Italien) setzten auf Spinning, die meisten auf SchwinnCycling, inklusive der Schweiz.

Parallel zur Steuerung der internationalen Aktivitäten aus der Schweiz, baute Markus Egli mit seiner Firma SYS-Sport Spinning und später SchwinnCycling in der Schweiz auf. Das enorme Engagement, die Passion und Geschicke von Markus Egli führten zu einem wahren Boom, welcher noch zehn Jahre nach Einführung anhalten sollte. Organisation von zahlreichen Events, Vertrieb einer kompletten Kleiderkollektion für IC-Fans, monatliche Ausbildungen und Informationsseminaren waren nur ein Teil seiner Aktivitäten, welche voll auf Indoor Cycling fokussiert waren.

Jonny G.

Nach der Anfangsphase kamen in der Schweiz zuerst Jochen Müller und dann Robi Ambrosini, Beni Treier und Bruno Juhasz als Master Instruktoren dazu. In den letzten Jahren arbeitete mit Markus Mengert ein weiterer Master Instructor «der ersten Stunde» am weiteren Ausbau der SchwinnCycling Ausbildung.

Wege zum Erfolg

Scott hatte den Fahrradhersteller Schwinn übernommen und damit eine Fitness-Division quasi mit dazu bekommen. Mit Johnny G und Spinning sah man bei Scott die Möglichkeit, hier wirklich etwas Neues zu lancieren – es ging vor allem darum, die Emotionen rüberzubringen und ein einzigartiges Erlebnis für die Teilnehmer zu liefern. Zudem war die Synergie mit dem Kerngeschäft, dem Fahrradhandel, gross.

Zum Erfolg führten sicherlich auch die finanziellen Möglichkeiten, bestehende eigene Logistik mit Zentrallagern in Europa und den USA, ein bestehendes Produkt-Management für Kleider, Taschen, Schuhe sowie Marketing Know-how, insbesondere im Bereich Event-Management und Racing-Teams. Und vor allem, hundertprozentiger Fokus auf diesen Bereich! Das differenzierte Schwinn klar von der Konkurrenz.

Ariane Egli

Gründe für den Flopp

Nach zirka 10 Jahren hatte der Trend – nicht nur in der Schweiz – massiv nachgelassen. Einige Fitnesscenter hatten sogar ihre Spinning- respektive Indoor Cycling (IC) Anlagen abgebaut. Dafür gab es mehrere Gründe, wobei die Tatsache, dass sich Mad Dogg Athletics und Schwinn zerstritten hatten und ab 1998 getrennte Wege gingen, nicht ausser Acht zu lassen ist.

  • Jeder Mega-Trend flacht nach einer gewissen Zeit ab. Dies war bei Aerobic, Step etc. genauso.
  • Der Spirit wurde durch diverse Distributionswechsel verwässert und der Markt wurde stärker fragmentiert, die Ingenieure der Spinning und Schwinn Bikes lancierten die Marke Stages – einen zusätzlichen Anbieter. Schwinn wechselte Distributor, Precor sicherten sich die Markenrechte von Spinning, welche vorher bei StarTrac lagen. Matrix lancierte ein eigenes Bike, ebenso Technogym. Schlussendlich viele Produkte, aber wenige geballte Power und kaum Investitionen um die Gesamtbewegung weiterzubringen.
  • IC war in einer Sichtweise die «Emanzipation» des Ausdauertrainings in den Fitnesscentern. Es hatte intensives Ausdauertraining salonfähig und wünschenswert gemacht. Parallel zur Entstehung des IC (ab 1995) hatte sich aber auch der Mountain-Bike-Trend etabliert. Somit wurde die IC-Saison immer kürzer, weil die Leute so rasch wie möglich outdoor radeln gehen wollten.
  • Platzproblem: Wenn ein Studio nur einen Groupfitness-Raum hat, so wird die Kohabitation mit IC auf Dauer schwierig bis lästig. Entweder es ist möglich, IC in einem separaten Raum anzubieten, oder man verzichtet darauf. Zusammen mit dem Problem der kurzen Saison hat dies vielerorts zur Abschaffung des IC-Angebotes geführt.
  • Die Clubs wurden träge und haben den Bereich Spinning / Indoor Cycling stiefmütterlich behandelt. Gleichzeitig haben die Clubs, welche etwas Besonderes (Instruktoren, Ambiente, Angebot, Vermarktung) bieten, Erfolg. Und, sie holen die jüngeren Generationen ab, wogegen beim klassischen Fitnessclub immer die gleichen Teilnehmer in die Stunden kommen und diese mittlerweile 20 Jahre älter sind.
  • Stadt vs. Land: IC sich hat primär in grossen Städten oder urbanen Umgebungen gehalten. Dort also, wo es aufwändig ist, outdoor zu radeln, bzw. wo es viel zeitsparender ist, im Studio zu cyceln.

Robert Winzenried (SAFS)

Der besondere Reiz (damals und heute)

Wer es wagt, etwas Besonderes anzubieten, wird dafür viel Energie brauchen. Allerdings werden dadurch fasst unbewusst Einstiegshürden aufgebaut, welche es einem Konkurrenten beinahe verunmöglichen, auf den erfolgreichen Zug aufzuspringen. Indoor Cycling hat grundlegende Vorteile: Jeder kann mitmachen, die Bewegungsausführung ist sehr einfach. Indoor Cardiotraining ist zwar grundsätzlich monoton – aber mit guten, motivierenden Instruktoren, der Gruppenatmosphäre und der Musik macht es riesig Spass und die Zeit vergeht blitzschnell. Und bei welcher anderen Ausdauerdisziplin können unterschiedlich fitte Teilnehmer zusammen trainieren und alle ein optimal effizientes Resultat erzielen bzw. in Ihrem individuellen Intensitätsbereich trainieren?

Fokus und das Kreieren eines Erlebnisses sind der Schlüssel. Wer das macht hat Erfolg! Dass dem so ist, kann nachgewiesen werden. In den USA war Spinning nie so erfolgreich wie in Schweden, Italien, Brasilien oder auch in der Schweiz. Nun haben Quereinsteiger die Chance gepackt, mit dem Werkzeug «Bike» ein einmaliges Erlebnis zu gestalten und dafür überdurchschnittlich viel Geld zu verlangen: Mit SoulCycle ist der Grundstein zur nächsten Erfolgswelle von Indoor Cycling gelegt.

Geht der Trend an den Fitnesscentern vorbei?

Seit neuestem ist Spinning bzw. Indoor Cycling weltweit wieder im Trend. Immer mehr innovative Konzepte kommen auf den Markt. Auch an der Schweiz geht diese Entwicklung nicht vorbei: In Zürich zum Beispiel gibt es mindestens zwei Formate, welche sich rein aufs IC beschränken: SparkCycle und Velocity. Zudem gibt es immer noch viele Studios, welche IC-Gruppenkurse anbieten, und es gibt wohl wenige Studios, welche nicht ein oder mehrere IC-Bikes in ihrem Cardio-Bereich führen. Auch existieren nach wie vor beliebte, jährlich stattfindende Events, mit 100 oder mehr Bikes: z. B. Passion & More oder Cycling Dreiländereck.

Doch die Fitnesscenter schlafen noch und verfügen teilweise über veraltetes Equipment. Deshalb müssen sich in naher Zukunft einige Fitnesscenter-Betreiber die Frage stellen: Investieren wir wieder in neue Bikes, in die Ausbildung der Instruktoren und ins Marketing oder entsorgen wir das alte Material und überlasse den aufkommenden Trend der Konkurrenz.   

In der nächsten FITNESS TRIBUNE stellen wir Ihnen einige erfolgreiche Spinning / Indoor Cycling Konzepte vor.

Text: Roger Gestach mit Unterstützung von Urs Mosimann, Ariane und Markus Egli