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Seltsame Blüten auf allen Kanälen

Die Fitnesscenter waren während der Corona-Krise geschlossen, die Türen zu den Sportvereinen und Trainingsstätten waren zu. Eine Situation, die für uns alle neu war und die eigenartige Blüten zum Vorschein brachte. Bis jetzt musste man sich auf YouTube bewegen, um unendlich vielen eigenartigen Trainings zu begegnen – Das war mir schon immer zu blöd. Jetzt, in diesem Lockdown, brauchte man diesen Umweg nicht. Auf allen Kanälen wurde bewegt – und wie! Da wurde gerollt und gedrückt, mit salbungsvoller Stimme auf dem Rücken liegend aufgewärmt, Originalton: «…frei bewegen, wichtig ist, dass sich die Bewegung gut anfühlt …und dann aufrollen…»

Da wurde geturnt, Originalton «…also im Vierfüssler, eigentlich, eigentlich, ganz gerade bleiben und eigentlich versuchen die Knie zu heben…» eine Anleitung, mit welcher man in unserer Schule keine Prüfung bestehen könnte.

Was den Vogel jedoch absolut abgeschossen und mich sprachlos gemacht hat, ist das Programm «DO-HEALTH-Gruuve» des Universitätsspitals Zürich: https://usz-microsite.ch/gruuve/. Da werden für «ältere Menschen» Videos präsentiert, mit dem Versprechen: Zitat «Das Programm stärkt die Rumpfmuskulatur, unterstützt das Durchatmen und trainiert die Koordination sowie Kraft im Bereich Arme und Beine». Initiiert wurde dieses Programm von Frau Prof. Heike Bischoff in Zusammenarbeit mit Bewegungswissenschaftlern und schön präsentiert mit dem Segen von Donna Leon und weiteren Persönlichkeiten. Wenn man diese Filme anschaut, ist man absolut irritiert. Sehr liebevoll gemacht, schöne klassische Musik und absolut eigenartige, unspezifische Übungen, ohne Anleitung, ohne Sinn und Zweck, eine Art Sitz-Ballett.

Ich habe die Filme meiner 88-jährigen Mutter gezeigt und dazu gesagt, dass dies sehr schöne Filme seien (positive Ausgangssituation) und sie gebeten doch mitzumachen. Das hat sie auch ganz neugierig und motiviert getan und nach 3 bis 4 Minuten frustriert aufgehört und gesagt, sie wisse gar nicht was sie tun müsse, es gäbe ja gar keine Anleitung und es gehe alles so schnell, sie könne gar nicht sehen, was die Frau im Video tut. Unglaublich, da werden dekorative Ballett-Bewegungen im Sitzen, frontal gefilmt und ohne Anleitungen gezeigt – was soll das? Für wen soll das gut sein? Welche Menschen sind «ältere Menschen»? Es gibt aber auch Schönes, Kreatives, Witziges, was auf SRF und weiteren Kanälen gezeigt wird – Das freut, nur ist leider der Anteil davon klein.

Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was mich dazu berechtigt, so streng mit den Präsentatoren und dem Präsentierten ins Gericht zu gehen? Ich unterrichte seit 40 Jahren Bewegung und bilde seit über 30 Jahren zusammen mit dem star-Ausbildungsteam Trainer aus. Niemand in der Schweiz hat so viele Fachbücher im Haug und Thieme-Verlag veröffentlich wie ich und ich war viele Jahre Expertin an der Prüfung zum eidg. Fachausweis für Fitnessinstruktoren zusammen mit der Crème de la Crème der Schweizer Ausbilder.

Und jetzt komme ich zu einem Punkt, der mir wichtig erscheint: Was bedeutet es Trainern, Trainer zu sein? Was ist das für ein Berufsbild in der Gesellschaft? Wie kann es sein, dass akzeptiert wird, dass Krethi und Plethi Trainingsempfehlungen geben? Warum sollen Leistungssportler Trainings präsentieren? Warum soll jemand, der schnell rennen kann, ein Training für die Gesellschaft leiten? Warum soll jemand, der hochspringen kann, ein Training präsentieren? Warum soll jemand, der Wissenschaftler ist, ein Trainingskonzept zusammenstellen oder Übungen empfehlen, wenn er oder sie keine Trainerausbildung hat? Wer schnell rennen kann, soll doch einfach schnell rennen und wer «höch gumpä» kann, soll «höch gumpä»! Und Wissenschaftler sollen doch bitte Studien erstellen, die der Gesellschaft nützen und nicht Sachen überprüfen, die längst beantwortet sind oder Trainingsbücher mit abartigen Übungen oder Videos mit sinnfreien Übungen veröffentlichen!

Scheinbar hat es sich in der Gesellschaft noch nicht herumgesprochen, dass Trainer / Instruktor ein Beruf ist – ein richtiger Beruf, den man erlernen muss. Man kann sich zum Trainer ausbilden lassen und lernen, wie man eine Übung analysiert, wie man präzise anleitet oder auch verstehen, warum man was tut, wie man mit Timing umgeht, mit Last und Zeit und vielleicht sogar, wie man gekonnt Musik einsetzt, wie man korrekte und spezifische Trainingsreize setzt usw.! Es ist ein Beruf, der viel verlangt. Abgesehen von Anatomie, Physiologie, Trainingslehre, Übungsrepertoire braucht es emotionale und soziale Kompetenzen sowie eine gewisse Reife, um gut mit Menschen arbeiten zu können.

In einer «Sitz-Gesellschaft mit Nahrungsüberfluss» ist der Trainer-Beruf wahrscheinlich einer der wichtigsten Berufe unserer Zeit. Es scheint, dass sich das noch nicht herumgesprochen hat und das ist schade. Um den vielen Anforderungen eines Trainers gerecht zu werden eignen sich besonders die Trainer, welche die Ausbildung in der modularen Erwachsenenbildung machen. Diese Trainer bringen Lebenserfahrung und Reife mit. Sie haben eine bewusste Motivation um sich aus ihrem «Erstberuf» in die Bewegungswelt zu begeben und sich gut auszubilden, z. B. bei uns in der star education.

Erholt aus dem Lockdown grüsst Ihre Karin Albrecht

PS: Und wenn mir jetzt wieder jemand damit kommt «jede Bewegung ist besser als keine Bewegung» dann kann ich nur sagen: «Ja, das stimmt – aber es reicht nicht, mir ist das zu wenig, es ist nicht gut genug».

PPS: Warum es so viele schlechte Trainer gibt, die sich auf X-Kanälen mit grosser Inbrunst und unverständlichem Selbstbewusstsein präsentieren, das frage ich mich schon lange nicht mehr, das ist Verschwendung unwiederbringbarer Lebenszeit.

Karin Albrecht

Karin Albrecht

star education

www.star-education.ch