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Rhetorik – Oder: Die Kunst zu überzeugen…

„Ihr seid ein Spitzenteam . . . Aber wir ziehen Bewegung im Freien vor und haben uns aufgrund Covid 19 für Outdoor Sport entschieden. . . . Somit kündigen wir unsere Mitgliedschaft . . . wir wünschen euch das Beste . . .“

So oder ähnlich lauten Kündigungen, die den Fitnessclubs derzeit auf den Schreibtisch flattern. Die Begründungen sind oft irrational. Offensichtlich fehlen den Mitgliedern selbst elementarste Kenntnisse. Zum Beispiel kennt der Verfasser der Kündigung oben den Unterschied zwischen „Bewegung“, „Sport“ und „Training“ nicht. Er scheint zu glauben, er könne sein Muskeltraining ohne weiteres ersetzen durch Bewegung und Sport im Freien.

Ich will ehrlich mit Ihnen sein: Wäre ich Premiumanbieter und meine Kunden würden den Unterschied nicht kennen, den es macht, bei mir zu trainieren, statt draussen joggen zu gehen, könnte ich keine Nacht mehr ruhig schlafen. Meine Kenntnisse über Wirtschaft reichen aus, um zu wissen, dass es nur zwei Wettbewerbsstrategien gibt: Kostenführerschaft und Differenzierung. Was für den Kostenführer – (Discounter oder Joggen gehen) –, der Preisvorteil ist, das ist für den Premiumanbieter der „Unterschied“. Gibt es keinen Unterschied, oder die Kunden kennen ihn nicht, wird der Premiumanbieter untergehen.

Wo also liegt der Unterschied zwischen dem Training im Fitnesslcub und dem Joggen im Freien, und wie kann ich meine Mitglieder von diesem Unterschied überzeugen?

Letztlich geht es ja auch gar nicht nur um die Mitglieder, die wir in der Pandemie verlieren. Denn das sind im Verhältnis wenige zu denen, die wir als Kunden erst gar nicht gewinnen, weil uns im entscheidenen Moment die Argumente fehlen. Wie oft haben Sie beispielsweise schon gehört:

„Fitness habe ich den ganzen Tag: Ich hab doch meinen Garten.“

Sie kennen den Einwand, aber haben Sie auch die Argumente? Ein überzeugendes Argument für den Hobbygärtner zum Beispiel, worin der Unterschied liegt zwischen Ihren Geräten und seinem Spaten? Denn die berühmten 90 Prozent der Menschen,  die wir alle noch gewinnen wollen, gewinnen wir nicht, nicht weil uns die Geräte fehlen, sondern die passenden Argumente. Und noch viel bessere Argumente, als Menschen für das Training zu gewinnen, benötigen wir, um sie zu überzeugen, mit ihrem Training nie wieder aufzuhören.

Ich habe selbst keinen Fitnessclub, aber ich bin seit 40 Jahren in der Branche tätig. Und mit wenigen Ausnahmen ist mein Freundeskreis ein Kreis von Fitnessclub-Betreibern. Letztlich profitiere ich auch wirtschaftlich von ihnen, da ich nur von meinen Vorträgen lebe. Für mich bedeutet die Pandemie nicht weniger Einkommen, sondern kein Einkommen mehr. Und das für fast ein ganzes Jahr. Ich kann also nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn die Kündigungen gegenüber den Neuzugängen überwiegen. Und selbst, wenn gar nicht mehr Mitglieder kündigen, fehlen dem Fitnessclub während des Lockdowns die Neuzugänge. Das erzeugt ein Gefühl von Machtlosigkeit. Vielleicht auch von Wut, weil man sich selbst nicht verantwortlich fühlt. Und dennoch stellt der Lockdown weniger ein Problem dar, als vielmehr eine neue Situation, die unsere alten Probleme nur an die Oberfläche spült.

Eine Situation ist per Definition ein Problem, an dem man nichts ändern kann. Deswegen ist jeder Gedanke, den man an eine Situation verschwendet, verschwendete Zeit. Eine Situation kann man nicht lösen, auf eine Situation stellt man sich ein. Am besten, indem man sich den alten Problemen zuwendet, auf die uns die neue Situation aufmerksam machen will. Denn wenn wir an der Situation schon nichts ändern können, können wir dafür sorgen, beim nächsten Mal besser vorbereitet zu sein.

Wenn ich dieses Jahr wirtschaftlich überleben werde, dann, weil ich die Situation genutzt habe, für meine Leichen im Keller. Aufgrund der vielen Vorträge in den vergangenen Jahren habe ich es versäumt, mein Buch „Erfolgreich trainieren“ zu aktualisieren. Deshalb habe ich in diesem Jahr die besondere Situation genutzt, um quasi ein ganz neues Buch zu schreiben. Aufgrund des Vertrauens, das ich geniesse, haben Fitnessclub-Betreiber bereits Tausende Exemplare gekauft, obwohl es noch gar nicht fertig ist. Einige Seiten, die ich daraus vorgelesen habe, haben ihnen gereicht – und sie haben auch bereits im Voraus bezahlt. Damit wird es auch für mich weitergehen und ich danke euch für euer Vertrauen.

Weil ich selbst keinen Vertrieb habe – und damit 80 Prozent der Kosten eines Verlages spare –, halten sich ausserdem meine Kosten in Grenzen. Ich benötige keinen eigenen Vertrieb, weil ich seit Jahren von dem Vertrauen profitiere, das Mario Görlach in der Branche geniesst, der mir als mein wichtigster Fürsprecher gemeinsam mit seinem Team immer neue Kontakte verschafft. Mario hat seinen Orange Campus wohl in der schwierigsten Situation eröffnet, die man sich für eine Eröffnung vorstellen kann, aber ich habe ihn nie klagen gehört. Im Gegenteil: Er unterstützt mit ganzem Einsatz auch noch alle anderen – unter anderem auch mich. Auch dafür an dieser Stelle mein Dankeschön.

Wenn ich der Branche etwas zurückgeben möchte, dann sind es meine Argumente. Denn in Zeiten, in denen man sich „machtlos“ fühlt, bezeichnet „Macht“ nur die Fähigkeit, Einfluss zu nehmen. Und eine der machtvollsten Möglichkeiten der Einflussnahme, ist die Rhetorik.

„Rhetorik“ meint nicht einfach nur die Kunst des Redens, sondern die Kunst mit Worten zu überzeugen. Reden, ohne durch Worte überzeugen zu wollen, ist wie ein Training ohne den Wunsch, stärker zu werden. Dafür braucht es keinen Profi. Im Grunde kann das jeder. Erst die Fähigkeit des Überzeugens verleiht dem Redner die Macht, um Einfluss zu nehmen, damit er Dingen nicht hilflos ausgeliefert ist. Regeln, egal, ob Trainingsregeln oder die Regeln der Rhetorik, werden erst wichtig, wenn wir ein Ziel verfolgen. Zum Beispiel das Ziel, unsere Mitglieder von dem Unterschied zu überzeugen, den es macht, bei uns zu trainieren, anstatt joggen zu gehen. Nur wenn wir Ziele verfolgen, brauchen wir eine gute Rhetorik. Und eine der wichtigsten Regeln der Rhetorik ist die Kunst des logischen Argumentierens.

„Logik“ bezeichnet die folgerichtige Verknüpfung einzelner Gedanken innerhalb des Denkens. Eingeleitet wird dieser Prozess durch eine Annahme (Prämisse). Der Begriff „Prämisse“ kommt aus dem Lateinischen und heisst: „Das Vorausgeschickte“. Dem logischen Argumentieren wird also grundsätzlich eine Annahme (Prämisse) vorausgeschickt. Dabei kann die Prämisse wahr sein, muss sie aber nicht. Ist sie wahr, sind auch die Schlussfolgerungen wahr. Ist sie unwahr, gilt es, sie in einer logischen Beweisführung zu widerlegen. Wie das funktioniert, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Nehmen wir die Kündigung oben. Die erste Prämisse der Kündigung lautet:

„Fitnesstraining an Geräten können wir ersetzen durch Bewegung und Sport im Freien.“

Das ist aber nur eine der Annahmen, die der Kündigung zugrundeliegt. Es gibt eine zweite Prämisse, die lautet:

„Während der Pandemie ist Bewegung und Sport im Freien risikoloser als das Fitnesstraining in geschlossenen Räumen.“

Und es gibt sogar noch eine dritte Annahme, die in diesem Moment vielleicht die wichtigste ist. Denn sie lässt hoffen, dass die Tür noch nicht ganz zugefallen ist. Diese dritte Annahme lautet:

„Ihr könntet uns wegen unserer Entscheidung böse sein.“

Von den drei Prämissen ist für den Augenblick nur die dritte interessant. Für die anderen ist der Zug abgefahren, denn jede Argumentation ist im Gesamtzusammenhang zu sehen (das Prinzip der Hermeneutik). So sieht unser Kunde, nachdem seine Kündigung bei uns auf dem Tisch liegt, jede Argumentation im Zusammenhang mit seiner Kündigung. Jede Argumentation, um den Kunden jetzt noch vom Unterschied zwischen Muskeltraining und Bewegung und Sport überzeugen zu wollen, würde uns nur betreffend der dritten Prämisse die Tür zuschlagen. Also akzeptieren wir, einen Kunden verloren zu haben, und freuen uns darüber, dass er den Kontakt zu uns aber offensichtlich halten will. Deshalb konzentrieren wir uns zu 100 Prozent auf Prämisse Nr. 3. Wenn der Kunde vielleicht noch zwei oder drei Monate zu zahlen hätte, würde mein Antwortschreiben auf seine Kündigung folgendermaßen lauten:

Lieber Soundso,

deine Kündigung akzeptiere ich nicht erst zum Ablauf deiner Kündigungsfrist, sondern ab sofort. Die besonderen Umstände rechtfertigen das. Schenk du mir dafür bitte die Möglichkeit, dich zu einer Zeit, in der man auch in geschlossenen Räumen wieder risikolos trainieren kann, zu einem Vortrag über das SAID-Prinzip einzuladen. Es besagt, dass unterschiedliche Formen der Belastung auch zu unterschiedlichen Anpassungen unseres Körpers führen. Einige dieser Anpassungen erreichst du auch mit dem Sport im Freien, andere aber setzen ein Training mit steigenden Gewichten an den Geräten voraus. Du würdest mir damit die Chance einräumen, etwas nachzuholen, was ich offensichtlich während deiner Mitgliedschaft versäumt habe, und dich vielleicht als Kunden irgendwann zurückzugewinnen. Möchtest du mir diese Chance geben? Dann werde ich dich zu gegebener Zeit gern einladen.

Liebe Grüsse

Andreas Bredenkamp

Es ist also auch eine Frage der Logik, zu erkennen, wann eine logische Beweisführung fehl am Platze ist.

Roger Gestach, der Herausgeber dieser Zeitschrift, hat den Vorschlag gemacht, ich solle eine logische Beweisführung aus meinem Buch zum Thema meines Beitrags in der nächsten FITNESS TRIBUNE. Das mache ich sehr gerne. Ausserdem freue ich mich, alle diejenigen, die ich für die Kunst, mit Vorträgen zu überzeugen, interessieren konnte, auf Mario Görlachs EGYM-Campus begrüssen zu dürfen. Wenn wir uns denn wieder treffen dürfen . . .

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“