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Plyometrisches Training ist kein Buch mit sieben Siegeln

Wenn klassisches Krafttraining allein nicht reicht.

Derzeit ist hochintensives Training in allen Formen angesagt. Der Nutzen ist mehrfach und aus unterschiedlicher Optik belegt. Maximales fordern für kurze Zeit scheint das Ei des Kolumbus zu sein. Bei allen Vorteilen sind auch Bedenken angebracht aus Sicht der Planung und Steuerung des Trainings. Vor allem die Erholung muss dabei im Auge behalten werden.

Sie werden jetzt einwenden, in der Fitnessbranche und nicht im Leistungssport tätig zu sein. Da stimme ich Ihnen zu. Und doch gibt es auch im Fitnesscenter gute Gründe, sich Gedanken über plyometrisches Training zu machen. Für schon viele Jahre trainierende Kundinnen und Kunden im Fitnesscenter ist das plyometrische Training ein neuer Reiz, dem grössere Kraftleistungen folgen – perfekt, um ein Leistungsplateau zu überwinden. Ebenfalls ein starkes Argument für ein plyometrisches Training, einfach der Zielgruppe angepasst, ist die Sturzprophylaxe, da üblicherweise schnell gestürzt wird. Und zu guter Letzt zeigen uns die Faszienforscher, wie wichtig auch für die Faszien ein plyometrisches Training ist. Das Training ist dem Können und der Zielsetzung der Ausführenden anzupassen. Das «Rebound Elasticity» im Faszientraining ist letztlich nichts anderes als plyometrisches Training. Nur heisst es nicht so und man vergisst allzu schnell, dass der Körper darauf vorzubereiten ist. Obwohl wir weit vom Leistungssport entfernt sind.

Wie oben schon erwähnt, ist der Hintergrund der Dehnungs- / Verkürzungszyklus der Muskulatur. Die Kraft, welche konzentrisch ausgelöst werden kann ist dann umso grösser, wenn der entsprechende Muskel zuerst exzentrisch in eine hohe Dehnung gebracht wird. Das Prinzip ist wie bei einer Feder: Wenn Sie diese in die volle Länge ziehen und anschliessend loslassen, werden grosse Kräfte frei – im Bruchteil einer Sekunde. Ein regelmässiges, entsprechendes Training ermöglicht es dem Muskel, mehr elastische Energie zu speichern und sie explosiver wieder frei zu setzen.

Mass halten – weniger ist definitiv mehr

Beim plyometrischen Training, wo es um die Entwicklung der Power geht, sind zwei Dinge zwingend und bedingen sich gegenseitig: Höchste Ausführungsqualität und höchste Belastungsintensität. Daraus ergibt sich der zwingende Schluss, dass pro Trainingseinheit bei der intensivsten Form der Plyometrie nur sehr wenige Wiederholungen zu bewerkstelligen sind. Es sind mehr als 50, aber nicht wesentlich über 100 Sprünge oder Würfe pro Trainingseinheit möglich. Mehr als sechs Sprünge oder Würfe pro Satz sind nicht zielführend. Die Energieversorgung erfolgt ausschliesslich anaerob alaktazid. Und dieser Tank ist nach zehn bis zwölf Sekunden leer. Daraus ergeben sich die wenige Sprünge oder Würfe pro Satz. Und weil das so ist, müssen die Kreatinphosphatspeicher vor dem nächsten Satz wieder voll sein. Daraus ergibt sich die Pausenlänge von vier bis sechs Minuten. Was eine Rolle spielt, deren Erholungsfähigkeit aber noch nicht restlos geklärt ist, ist das Nervensystem. Es ist davon auszugehen, dass die Pausenlänge hierfür noch grösser wäre. Gehen wir von zehn Trainingssätzen aus mit jeweils sechs Sprüngen oder Würfen pro Satz, heisst das, wir machen rund 50 Minuten Pause für gerade mal maximal 60 Sekunden qualitativer Arbeit.

Zu meiner aktiven Zeit als Leichtathlet machten wir Tiefsprünge, dazu später mehr, von ganzen Schwedenkasten. Also mit einer Fallhöhe von rund einem Meter. Kann man machen, sage ich heute. Aber es reicht ganz offensichtlich, die Sprünge aus einer Fallhöhe von rund 40 Zentimetern zu machen. Der zusätzliche Nutzen der hohen Höhen steht in keinem Verhältnis zum gesundheitlichen Aspekt. Pro Woche haben sich maximal zwei Trainingseinheiten für plyometrisches Trainings etabliert und bewährt. Mehr ist nicht zu schaffen! Und die Phase soll nicht länger als sechs Wochen dauern.

Adäquate Vorbereitung muss sein

Wer aus einem plyometrischen Training den höchsten Effekt herausholen will, soll das bitte in einem gut vorbereiteten Zustand seines Bewegungsapparates tun. Ob das 1,5-fache stemmen des eigenen Körpergewichts, wie teilweise kolportiert wird, die richtige Voraussetzung ist, wage ich zu bezweifeln. Hier ist der Sachverstand und die Erfahrung des Trainers ein wichtiges Kriterium, mal von der erforderlichen höchsten Bewegungsqualität abgesehen. Halten wir uns an die einschlägigen, leider oft vernachlässigten Trainingsprinzipien, kann nicht viel schief gehen. Zum Tragen kommen unter anderem die Trainingsprinzipien von Belastung und Erholung, der progressiven Belastungssteigerung und das Prinzip des optimalen Belastungsreizes. Wie bei allen neuen Bewegungen und Trainingsarten, die eingeführt werden, gilt auch hier, dass langsam aufgebaut wird und dann stufenweise die Belastungen erhöht werden.

Formen der Plyometrie nach Weineck

Jürgen Weineck hat verschiedene Formen des plyometrischen Trainings definiert. Die einfachste Form ist in jedem Fall auch im Fitnesscenter gut durchzuführen und entspricht dem «Rebound Elasticity» im Faszientraining. Die zweite Variante ist bereits für Fortgeschrittene, im Fitnesscenter vor allem, aber nicht nur im Kurswesen gut einzuführen und die dritte und schwerste Form ist den Könnern vorbehalten. Die drei Formen nach Weineck sind:

  • Die «kleine» Plyometrie: Einfache, variable Sprungfolgen oder Sprungläufe zum spritzig machen vor einem Training oder Wettkampf. Als eigenständiges Training durchgeführt, werden rund 800 bis 1000 Sprünge pro Trainingseinheit durchgeführt.
  • Die «mittlere» Plyometrie: Beidbeinige Bank- oder Hürdensprünge. Diese benötigen mindestens drei Tage Erholungszeit. Als eigenständiges Training durchgeführt, werden rund 500 Sprünge pro Trainingseinheit durchgeführt.
  • Die «intensive» Plyometrie: Hochkastensprünge (Tiefsprünge). Die höchste Form des plyometrischen Trainings. Erholungszeit von rund 10 Tagen! Als eigenständiges Training durchgeführt, werden 50 bis 100 Sprünge durchgeführt.

Mittlere Plyometrie: Beidbeinige Hürdensprünge


Intensive Plyometrie


Kontrastmethode im Plyometrietraining

Es sei am Rande und der Vollständigkeit halber erwähnt, dass es eine noch intensivere Form gibt: Die Kontrastmethode. Hier ein Beispiel, wie ein Satz mit der Kontrastmethode aussehen kann: Zuerst werden vier halbe Kniebeugen mit der Langhantel ausgeführt, anschliessend ohne Pause sechs Hochsprünge über Hürden ausgeführt und selbstredend wiederum ohne Pause werden sechs Sprünge abwärts auf hohen Treppenstufen (mind. 60 cm) ausgeführt, welche auf null abgebremst werden, also sehr konzentriert ausgeführt werden. Diese Form hat eine Erholungszeit von rund 15 Tagen zur Folge.

Zu beachten ist beim plyometrischen Training, dass ein verzögerter Effekt eintritt. Bei den einfacheren Formen sind es rund drei Wochen, bei der intensiven Plyometrie sind es gar sechs Wochen. Dies ist zu beachten und wichtig. Das bedeutet in der Praxis, dass nicht zu viele Perioden von plyometrischen Training über das Jahr verteilt möglich sind. Auch hier gilt: Weniger ist mehr.

Periodisierung eines plyometrischen Trainings

Aufgrund der drei Formen nach Weineck wird ersichtlich, dass es verschiedene Perioden im Jahresverlauf geben muss. Solche mit und solche ohne Plyometrie. Es macht beispielsweise keinen Sinn, in der Phase eines Hypertrophietrainings auch noch Plyometrie zu machen. Das geht energetisch und aus Sicht der Erholung ganz einfach nicht auf!

Viele Übungen lassen sich so abändern, dass eine plyometrische Ausführung entsteht. So kann ich den Liegestütz mit «in die Hände klatschen» machen, was eine mögliche Alternative ist. Oder es werden einfachere Bedingungen gewählt, indem beispielsweise die Sprunghöhen sehr gering sind. Das kann zu Beginn auch mal nur 10 oder 20 Zentimeter sein.

Weil die Anpassungen verzögert eintreten, ist es wohl sinnvoll, pro Jahreszyklus im Fitnesscenter nicht mehr als dreimal plyometrische Übungen ins Programm zu nehmen. Die Pausen zwischen den Perioden sollen mindestens acht Wochen betragen.

Das Wichtigste kurz zusammengefasst

Aufgrund der langen Erholungszeiten, der hohen Belastung und dem verzögerten Eintreten der Anpassungen, ist es unumgänglich, mit dem plyometrischen Training sehr sparsam umzugehen. Da die Erfahrung eine grosse Rolle spielt, ist entsprechende Erfahrung unumgänglich, wenn ich jemanden in diese Trainingsform einführen will. Die kleine Plyometrie nach Weineck kann aber gut mit Kunden im Fitnesscenter ausgeführt werden. Nein, nicht kann, eher muss. Hier sind grosse Reserven vorhanden, wenn es um das Thema Sturzprävention geht.

Einige allgemeine Hinweise für das plyomterische Training:

  • Sehr gutes Aufwärmen ist zwingend!
  • Nur in gut ausgeruhtem Zustand ausführen.
  • Höchste Bewegungsqualität bei höchster Intensität.
  • Pro Satz nur sechs Sprünge oder Würfe.
  • Anzahl Sprünge / Würfe pro Training: 50 bis 100 für die maximale Form der Plyometrie.
  • Pause zwischen den Sätzen: Mindestens fünf Minuten.
  • Achtung: Verzögerter Effekt der Anpassung.
  • Den Bewegungsapparat sehr gut auf die Belastung vorbereiten.

Zum Schluss noch dies…

Plyometrisches Training ist je nach Form sehr belastend für den Bewegungsapparat. Das heisst: Jeder Mensch, der sich an das plyometrische Training wagt, muss seinen ganzen Bewegungsapparat darauf vorbereiten. Das geht nicht in wenigen Wochen, das geht in vielen Monaten. Soll heissen: Plyometrisches Training ist erst dann angesagt, wenn die physischen Voraussetzungen und das koordinative Verständnis in genügend hohem Ausmass vorhanden sind.

Peter Regli 

ist Buchautor, Dozent und Referent. Er unterrichtet an diversen Ausbildungsinstitutionen und bietet Workshops im Bereich Gesundheitsmanagement und Strategieentwicklung für kleinere Unternehmen an. Individuelle Themen bietet er als Inhouse-Schulungen oder als Online-Coaching für Menschen und Unternehmen an. Sie erreichen ihn per Mail mit pr@peter-regli.ch oder auf seine Website www.peter-regli.ch