Holistisches Fitnesskonzept
4. Dezember 2019
Geld verdienen für Studios oder auch Einzel-Trainer – einfach und ohne Risiko!
4. Dezember 2019

Offensive Strategien für den Wachstumsmarkt

«Ja, aber die Leute wissen doch, dass sie was tun müssen.» So und ähnlich lauteten Reaktionen auf meinen letzten Beitrag mit dem Titel: «Wettbewerbs- vs. Wachstumsstrategien». Darin stellte ich den defensiven Wettbewerbsstrategien von Porter eine Offensivstrategie gegenüber. Ich warb dafür, die Einzelstudios sollten nicht warten, bis die Menschen zur Tür hereinspazieren, sondern sie sollten aktiv auf sie zugehen, um sie für das Muskeltraining zu gewinnen. Denn 90 Prozent der Menschen wissen vielleicht, dass sie etwas tun müssen, aber wissen sie auch, was? Ihre Muskeln spielen für sie dabei jedenfalls eine eher untergeordnete Rolle. Denn wenn ich auf meinen Vorträgen frage, was sie wichtiger finden, starke Muskeln oder Herz-Kreislauf-Training, sagen sie: «Herz-Kreislauf-Training.»

Frage ich sie, ob sie starke Muskeln wichtiger finden oder eine gesunde Ernährung, sagen sie: «Eine gesunde Ernährung.»

Dürfen da nicht Zweifel aufkommen daran, was die Leute wirklich wissen? Ich habe einmal mit dem Gedanken gespielt, sie zu fragen, für was sie eher auf die Strasse gehen würden, für mehr Muskeln oder für mehr Klimaschutz? Ich bin mir sicher, sie würden sagen: «Für mehr Klimaschutz».

Aber ist das auch so selbstverständlich, wie es für alle klingen mag? Und vor allem:

Wie will die Branche weiterwachsen, wenn sie insgeheim selbst glaubt, alles sei bedeutsamer als der Aufbau starker Muskeln?

Natürlich ist es richtig, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dabei geht es weniger um den Schutz des Klimas als des Menschen. Insofern ist Klimaschutz ein Ideal. Menschliche Ideale erscheinen jedoch suspekt, wo sie die Menschen in unterschiedliche Lager spalten und Glaubenskriege auslösen. Werden zum Beispiel ernstzunehmende, kontroverse Ansichten beim Weltklimarat nicht zugelassen – worauf eine Meldung in der Tagesschau verwies –, laufen wir Gefahr, dass menschliche Ideale nicht mehr dem Menschen dienen, sondern die Menschen den Idealen. Gern lässt sich der Mensch Schuld zuweisen, denn mit Schuld kann er leichter leben, als mit der Gewissheit, machtlos zu sein. Wer schuld ist, kann sich bessern, und als geläuterter Mensch wieder Einfluss nehmen. Sehr schön beschreibt das Robert Harris in seinem Buch «Pompeji». Selbst beim Ausbruch des Vesuvs haben die Einwohner Pompejis noch geglaubt nicht «gottgefällig» genug gelebt zu haben. Es beängstigt eben nichts mehr als die Erkenntnis, völlig machtlos zu sein. Und ob der Klimawandel – vom Menschen verursacht oder nicht – noch aufzuhalten sein wird oder wir ihm machtlos gegenüberstehen, so richtig zu wissen scheint das noch keiner.

Was wir dagegen sicher wissen ist, dass die Menschheit auch bei idealer Lebensweise diesen Planeten eines Tages wird verlassen müssen. Bill Bryson erzählt in seiner «kleinen Geschichte von fast allem», wie klein und begrenzt im Vergleich zur Grenzenlosigkeit des Universums unser Lebensraum hier auf der Erde jetzt schon ist. Wir können weder in der Wüste leben, noch an den Polen, noch im Meer. Wir können uns nicht tief eingraben und auch unser Spielraum, von der Erde abzuheben, ist begrenzt – derweil die Menschheit weiterwächst. Und selbst wenn sie auch dieses Problem in den Griff bekommt, wird unsere Erde irgendwann in die Sonne stürzen.

Professor Elke Zimmermann sagte mir einmal in einem persönlichen Gespräch, dass die Menschheit nur überleben werde, wenn sie es schaffe, diesen Planeten zu verlassen, und ihr grösstes Hindernis dabei sei ihre Abhängigkeit von ihrer Muskulatur. Die Funktionalität unseres Körpers bestehe auf der Belastung durch die Erdanziehung. Fehle die Belastung, verlören wir unsere Belastbarkeit. Wir zerbrächen wie Salzstangen. Genauso, wie Menschen im Alter von über 80 Jahren zumeist am Zerbrechen ihrer Knochen sterben. Entsprechend werden wir sicher noch viel Zeit brauchen, um das Problem mit der Abhängigkeit von unseren Muskeln zu lösen. Bis dahin allerdings müssen wir sie belasten, denn wir brauchen die Belastung für eine ausreichende Belastbarkeit. Es ist wahrscheinlicher, dass wir nicht am Klimawandel sterben, sondern vorher bereits an der Kraftlosigkeit unserer Muskeln.

Die Wissenschaft weiss heute schon, dass unsere Kinder – obwohl sie von ihrer medizinischen Versorgung her 100 Jahre alt werden könnten – die Lebenserwartung ihrer Elterngeneration nicht mehr erreichen wird. Der Grund ist fehlende Belastung, die bis zur Pubertät erforderlich gewesen wäre, damit der kindliche Organismus eine Belastbarkeit erreichte, die Voraussetzung wäre, um den Belastungen eines so langen Lebens, wie es uns heute eigentlich beschieden wäre, auch gewachsen zu sein. Anders als ihre Elterngeneration leben die Kinder ihr Abenteuer heute nicht mehr unter Einsatz ihrer Muskeln auf dem Spiel- oder Sportplatz aus, sondern sie erleben ihre Abenteuer am Handy und vor dem Computer – und zwar ohne Anstrengungen ihrer Muskulatur. «Fridays for future» als Protestveranstaltung für mehr Sport und körperlichen Ausgleich in der Schule wäre also sicher nicht weniger angezeigt denn als Veranstaltung für mehr Klimaschutz.

Erst im September berichtete «Der Standard.at» über eine Meta-Analyse die im «Journal of the American Medical Directors Association» veröffentlicht wurde. Insgesamt wurden in dieser grossangelegten Studie 39’852 Patienten berücksichtigt, mit dem Ergebnis: «Wer schwache Muskeln hat, stirbt früher.»

Das stimmt für unsere Kinder ebenso wie für Menschen, deren Muskulatur im Alter beginnt zu schwinden. Professor Elke Zimmermann wird dabei sehr konkret. Sie sagt, dass auch Frauen mit 80 Jahren mindestens zwei bis drei Klimmzüge schaffen sollten, wenn sie 100 Jahre alt werden, beziehungsweise die 80 Jahre bei entsprechender Lebensqualität erleben wollen. Deshalb ist es gut, wenn es Menschen gibt, die für mehr Klimaschutz auf die Strasse gehen, aber es sollte auch Menschen geben, die es für unsere Muskeln tun. Und von wem sollte die Initiative ausgehen, wenn nicht von den Einzelstudios?

Offensive Strategien anwenden heisst also, auf die Strasse zu gehen. Offensive Strategien bedeuten, den Menschen vor Augen zu führen, dass mehr Pflegekräfte das Problem nicht lösen werden, sondern einzig und allein der Aufbau unserer Muskulatur. Offensive Strategien bedeuten, darüber zu informieren, dass Menschen mit mehr Muskeln nicht nur nachweislich älter werden, sondern starke Muskeln im Alter auch eine höhere Lebensqualität garantieren. Gehen wir also auf die Strasse und starten wir eine Offensive für mehr Muskeln. Für mehr Klimaschutz haben wir Greta Thunberg, die Community für mehr Muskeln gründen wir.

Was wir uns von Greta Thunberg dabei allerdings abschauen können, sind ihre Fähigkeiten im Aufbau einer weltweiten Community. Ein 16jähriges Mädchen, das vor einem Jahr noch keiner kannte, und heute kennt sie die ganze Welt. Wie hat sie das gemacht?

«Community» heisst Gemeinschaft, und das Wesen der Gemeinschaft ist ihr Zweck. Wer also eine Community gründen möchte, muss es verstehen, die Menschen hinter diesem einen Zweck zu vereinen. Damit steht die Gemeinschaft im entscheidenden Gegensatz zur Gesellschaft. In einer Gesellschaft ist der Zweck akzeptiert. Deshalb geht es innerhalb einer Gesellschaft weniger um den Zweck als um die Mittel zum Zweck. In einer Gesellschaft stehen somit nicht die Muskeln im Mittelpunkt, sondern die Beiträge für das Muskeltraining. Wer also seine Beiträge nicht diskutieren möchte, der konzentriere sich auf den Zweck. Je interessanter, ja, existentieller der Zweck, umso relativer erscheinen die Beiträge. Entsprechend wichtig ist es für die Einzelstudios, nicht ihre Beiträge, ihre Qualität oder ihr breitgefächertes Angebot in den Mittelpunkt zu rücken, sondern den einzigartigen Zweck ihres Unternehmens. Nicht für mehr Gemüse, mehr Bewegung und bessere Gesundheit sollten sie in die Offensive gehen, sondern ausschliesslich für diesen einen existentiellen Zweck. Mario Görlach hat ihn als erster mit dem Begriff «Sarkopenie» auf den Punkt gebracht. Es ist die «Entfleischung» des Menschen, der die Fitness-industrie begegnen muss. Den Muskelverlust aufhalten! Ein Ziel, das nicht erreicht wird durch mehr Bewegung oder gesündere Ernährung, sondern allein durch gezielte «Wachstumsreize». Und weil sich Wachstumsreize wohldosiert und gezielt am besten an Trainingsmaschinen setzen lassen, bietet das Setzen gezielter Wachstumsreize der Fitnessbranche ihr Alleinstellungsmerkmal.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“