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Minimaler Aufwand und maximales Ergebnis? Auswirkungen von Schlingentraining auf den Muskelaufbau

In der Fitness- und Gesundheitsbranche haben sich in den vergangenen Jahren viele unterschiedliche Formen von Kraft- und Widerstandstraining etabliert. Immer populärer wird neben dem klassischen gerätegestützten Krafttraining auch das Training mit dem eigenen Körpergewicht (Thompson, 2019) – dazu zählt auch das Schlingentraining. Welche Auswirkungen dieses auf den Muskelmasseaufbau hat, wird nachfolgend im Detail dargestellt.

Immer mehr Menschen setzen in ihrer Trainingsroutine auf das Körpergewichtstraining, dabei wird das eigene Körpergewicht als Widerstand genutzt. Eine Sonderform ist das Schlingentraining (engl.: suspension training; sling training), dessen Hauptbestandteil die Durchführung von funktionellen, mehrgelenkigen Übungen zur Verbesserung der Rumpfstabilität und -mobilität ist (Angleri, 2020).

Vorteile von Schlingentraining

Das Schlingentraining ist durch die beiden höhenverstellbaren, frei beweglichen Schlingen nicht nur ein Kraft-, sondern auch ein Sensomotoriktraining. Zusätzlich zur Muskulatur, die bei der Durchführung der eigentlichen Kraftübung beansprucht wird, erfordert die Stabilisierung des Körpers weitere Muskelaktivität. Die muskuläre Beanspruchung ist trotz gleicher Last (eigenes Köpergewicht) deutlich höher als bei einem Training ohne Schlingen. Viele Studien untersuchten die Annahme, dass bei einem Krafttraining mit instabiler Unterstützungsfläche (Schlingen) eine höhere Aktivierung der Rumpfmuskulatur erfolgt als bei einem traditionellen Krafttraining mit stabilem Untergrund (Harris et al., 2019; Jiménez-García et al., 2019). Harris et al. (2019) untersuchten die akuten Effekte des Schlingentrainings auf die Aktivierung der Rumpfmuskulatur bei Übungen wie z.  B. Push-ups, Bridging und Planks im Vergleich zu der «klassischen» Durchführung der Übungen auf dem Boden (stabile Unterstützungsfläche). Die Ergebnisse zeigen signifikant höhere EMG-Aktivitäten der entsprechenden Ziel- und Rumpfmuskulatur bei der Variante mit dem Schlingentrainer. Studien konnten bei der Betrachtung der langfristigen Effekte des Schlingentrainings im Vergleich zu einem traditionellen Krafttraining grössere Steigerungen der Kraft der Rumpfmuskulatur, speziell der Rücken- und Rumpfbeugemuskulatur, vermerken (Ma et al., 2017; Maté-Muñoz et al., 2017). Auch bei älteren Personen (> 60 Jahre) konnten vergleichbare Effekte hinsichtlich Kraft, Muskelmasse und funktioneller Leistungsfähigkeit bestätigt werden (Soligon et al., 2020).

Können Hypertrophieeffekte erzielt werden?

Häufig wird in erster Linie ein gerätegestütztes Krafttraining mit hohen Lasten (6- bis 12-RM) und niedrigen Wiederholungszahlen empfohlen, wenn es darum geht, optimale Hypertrophieeffekte zu erzielen. Können mit einem Schlingentraining (geringere Lasten und hohe Wiederholungszahlen) vergleichbare Hypertrophieeffekte erzielt werden? Das Erreichen einer möglichst maximalen Faserrekrutierung und die Maximierung der mechanischen Spannung sind von zentraler Bedeutung für einen Hypertrophieeffekt (Schoenfeld, 2013). Nach dem Hennemann’schen Grössenordnungsprinzip werden grosse motorische Einheiten mit hohem FT-Faseranteil durch hohe Lasten und kleine motorische Einheiten mit höherem ST-Anteil durch niedrigere Belastungen rekrutiert (Hennemann, 1957; De Marées, 2003, S. 158). Beim Schlingentraining wird oftmals mit geringerer Last, aber hohen Wiederholungszahlen trainiert. Daher könnte angenommen werden, dass die Faserrekrutierung und somit die mechanische Spannung zu gering ist, um die Muskelmasse zu erhöhen. Jedoch bestätigen z. B. Schoenfeld, Grgic, Ogborn und Krieger (2017), dass die Zunahme der Muskelmasse unabhängig von der Höhe der Last erfolgt, mit der trainiert wird. Auch bei niedrigen Lasten (> 30 % 1-RM) und hohen Wiederholungszahlen konnten vergleichbare Effekte hinsichtlich der Zunahme der Muskelmasse festgestellt werden. Ein zentraler Faktor bei der Ausführung des Trainings ist, dass dieses bis zum annähernden Muskelversagen (periphere Ermüdung) absolviert werden muss. Kommt es durch ein submaximales Training zu einer peripheren Ermüdung (durch ausreichende Annäherung an das Muskelversagen), wird die Rekrutierungsschwelle für grosse motorische Einheiten herabgesetzt. Auf diese Weise kann auch bei niedrigen Lasten und höherer Wiederholungszahl eine vollständige Faserrekrutierung (sowohl FT- als auch ST-Fasern) erreicht werden (Schoenfeld, 2013). Folglich können auch durch ein Körpergewichtstraining am Schlingentrainer vergleichbare Hypertrophieeffekte ausgelöst werden. Die Trainingslasten müssen entsprechend hoch sein (> 30 % 1-RM), um durch den primär anaerob-laktaziden Stoffwechsel und die damit verbundene Akkumulation von Metaboliten eine periphere Ermüdung zu erzeugen.

Intensitätssteuerung und –steigerung beim Schlingentraining

Wie Schoenfeld et al. (2017) schlussfolgern, ist zur Erhöhung der Muskelmasse ein Training mit einem grossen Wiederholungsspektrum (3- bis 30-RM) möglich. Die Voraussetzung ist die Annäherung an das Muskelversagen. Da im Schlingentraining allerdings keine externen Lasten verwendet werden, muss die Intensitätssteuerung auf anderem Wege erfolgen. Die Trainingsintensität kann bei den verschiedenen Übungen durch eine Veränderung der Schlingenhöhe, der Körperposition zum Schlingenverlauf sowie durch eine Veränderung der Stütz- bzw. Abdruckfläche erzielt werden. Eine Intensitätssteigerung kann dementsprechend beispielsweise über die unilaterale Ausführung der Übungen (z.  B. einbeinige Kniebeuge) erfolgen. Je nach Leistungsniveau des Sportlers sowie Intensität und Belastungscharakter der Übungen können also auch hier hohe mechanische Reize und somit auch Hypertrophieeffekte ausgelöst werden.

Fazit

Das Schlingentraining bietet für Mitglieder und auch für Betreiber von Fitness- oder auch Rehaeinrichtungen neben den sportlichen Effekten viele weitere Vorteile, wie z.  B. die kostengünstige Anschaffung und Unterhaltung der Materialien sowie die geringe Fläche, die dafür notwendig ist. Das Schlingentraining ist ausserdem vielseitig einsetzbar und findet sowohl im Reha- als auch im Leistungssport (z.  B. im Athletiktraining) regelmässig Anwendung. Schlingentraining stellt damit eine kostengünstige und facettenreiche Erweiterung der Trainingsmöglichkeiten für jede Fitness- und Gesundheitseinrichtung dar.

Auszug aus der Literaturliste

  • Angleri, V., Soligon, S.  D., da Silva, D.  G., Bergamasco, J.  G.  A., & Libardi, C.  A. (2020). Suspension training: a new approach to improve muscle strength, mass, and functional performances in older adults? Frontiers in physiology, 10 (1576), 1–5.
  • Schoenfeld, B.  J., Grgic, J., Ogborn, D., & Krieger, J.  W. (2017). Strength and hypertrophy adaptations between low- vs. high-load resistance training: a systematic review and meta-analysis. The Journal of Strength & Conditioning Research, 31 (12), 3508–3523.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Johanna Kummer

Die Sportwissenschaftlerin ist pädagogische Mitarbeiterin und Dozentin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie im Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft. Als Trainerin sammelte sie praktische Erfahrung in der medizinischen Trainingstherapie bei orthopädischen Erkrankungen.

www.dhfpg-bsa.de