DACH Marktstudie: Kundenbedürfnisse in der Fitnessbranche unter COVID-19
2. Februar 2021
Warum nur 7 Prozent das Ziel erreichen
2. Februar 2021

Unsere «Psyche» in der Krise

Die Corona Krise ist für viele Betriebe unserer Branche existenzbedrohend. Auch wenn Entschädigungszahlungen gewährt werden, können diese nicht die Angst der Kundinnen und Kunden beseitigen. Trotz Impfung wird die Pandemie nicht auf Knopfdruck vorbei sein. Im Gegenteil: Selbst bei «Entwarnung» wird sich das Verhalten vieler Menschen nachhaltig verändert haben.

Für jeden Betrieb liegt eine grosse Herausforderung darin jene Kunden, welche wegen der Corona Pandemie gekündigt haben, wieder zurückzugewinnen. Wie kann uns das gelingen? Ich denke mit pauschalen «Come back Aktionen» werden wir nicht weit kommen. Viel mehr braucht es unzählige Einzelgespräche in denen geschulte Mitarbeiter auf einfühlsame Weise beraten. Sie müssen Verständnis für die individuelle psychische Entwicklung ihrer Kundschaft während der Krise haben. Aus diesem Grund soll dieser Artikel dazu anregen Strategien zu entwickeln, um frühzeitig mit den Kunden in Kontakt zu treten. Er soll aber auch dazu dienen, innerhalb des Mitarbeiterteams zu reflektieren. Wie ist jeder einzelne eigentlich zu seiner Meinung gekommen? Erst wenn man nachvollzieht, wie man selber auf die Corona-Situation reagiert, kann man andere besser verstehen.

Die Entwicklung der Corona-Krise, die entsprechenden Berichterstattungen und auch die teils nicht nachvollziehbaren Strategien zur Eindämmung haben die mentale Verfassung vieler Menschen stark beeinflusst. Dabei hat jeder «seine» Wahrheit entwickelt und versucht in diesen turbulenten Zeiten eine eigene Meinung zu bilden. Dabei bildet sich jeder Mensch seine eigne subjektive Wahrheit. Diese eigenen Überzeugungen, welche wir übrigens in jeder Lebenssitutation automatisch anlegen, geben uns Orientierung und Halt, ohne die wir gar nicht funktionieren würden. Die Frage ist also: Wie bilden wir uns eigentlich unsere «Wahrheit» bezogen auf die Pandemie? Welche psychologischen Muster stecken dahinter?

Alles was wir wahrnehmen, ordnen wir in ein für uns subjektives Bewertungsschema ein. Dieses Schema ist bei jedem Menschen anders, denn es ist geprägt durch unsere individuellen Werte, Einstellungen, Erfahrungen und durch unser Selbstbild. Deswegen reagieren einige Menschen auf Corona mit übertriebener Ängstlichkeit und andere mit fahrlässiger Gleichgültigkeit.

Je stärker die emotionale Reaktion auf eine Situation ist, desto stärker «brennt» sich diese Situation in unsere neurologischen Schaltkreise im Gehirn ein – leider bei negativen Emotionen wie der Angst stärker, als bei positiven Emotionen. Dieses einspeichern ist aber unabhängig davon, ob wir die Situation tatsächlich durchlebt haben, oder ob wir uns nur vom «Hörensagen» und von Schilderungen aus den Medien eigene Bilder zurechtlegen!

Es kann also durchaus sein, dass eine Person, die täglich mit vielen schweren Coronafällen im Spital zu tun hat, tatsächlich weniger ängstlich reagiert, als eine Person, die nur aus den Medien davon erfährt, weil die oben erwähnten subjektiven Bewertungsschemata von Mensch zu Mensch so unterschiedlich sind.

Neben diesem Wahrnehmungs- und Bewertungsschema gibt es noch einen weiteren Mechanismus, welchen wir Menschen automatisch anwenden, damit wir psychologisch funktionieren: die Vermeidungs- bzw. Verdrängungsstrategie. Aus Selbstschutz blenden wir schlimme Dinge in unserem täglichen Leben aus. Erkrankungen, Unfälle ja auch Todesfälle sind Bestandteile unseres Lebens, die uns schwer belasten können. Wir wissen, dass es sie gibt, aber damit wir unseren Alltag meistern können, beschäftigen wir uns möglichst nicht damit. Genau dies ist aber durch Corona nicht mehr möglich. Es gibt kein anderes Thema mehr, egal was wir machen, Corona ist allgegenwärtig. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden in der gleichen Intensität täglich mit den Todeszahlen von Krebs-, Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten, Unfallopfern, etc. konfrontiert. Unsere mentale Gesundheit würde das nicht lange mitmachen.

Dem «nicht ausweichen können» in Kombination mit der eigenen subjektiven Wahrheit über das Virus, kann somit zu einer gefährlichen negativen Spirale werden. Der nötige und auch berechtige Respekt vor dem Virus wird dann zur übertriebenen und lähmenden Ängstlichkeit.

Der Weg zurück in die Normalität beginnt demnach im eigenen Kopf. Die Normalität kann uns nicht von der Regierung zurückgegeben werden. Überprüfen Sie deshalb in Ihren Gesprächen mit Ihren Kunden deren psychologischen Muster in Bezug auf Corona. Fragen Sie sich insbesondere: Warum ist die Reaktion gerade auf die Situation «Training im Fitness-center» besonders sensibel? Je emotionaler die Reaktion aufgeladen ist, desto weniger weit werden sie hier mit sachlichen Fakten bezüglich Stärkung des Immunsystems, Funktion von Schutzkonzepten etc. kommen. Der Kunde muss spüren, ja erleben, dass sein Bild nicht der Realität entspricht. Nur durch positive Konfrontation mit der Trainingssituation, möglichst in Begleitung mit einem Mitarbeitenden, können bei skeptischen Menschen Angstbarrieren Stück für Stück abgebaut und das subjektives Bewertungsschema «Fitnesstraining und Corona» wieder in ein angstfreies, positiv geprägtes Bild verwandeln werden.

Warten Sie also nicht zu lange. Nehmen Sie das Thema jetzt schon in ihren Teamsitzungen auf, erarbeiten sie betriebsinterne Kommunikationsstrategien, um vorbereitet mit ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten.

André Tummer

Dipl. Sportwiss.

Vorstandmitglied SFGV

www.sfgv.ch