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Leistungssteigerung durch Protein Das «anabole Fenster» – existiert es wirklich?

Das sogenannte anabole Fenster stellt einen bestimmten Zeitraum direkt nach dem Training dar. Dieser soll die effektivste Phase sein, um Protein zuzuführen und optimale Erfolge zu erzielen. Doch ist das anabole Fenster wirklich der wichtigste Zeitraum für die Proteinzufuhr und spielt die Menge und Art der Proteine auch eine Rolle?

Sportler befassen sich mit zunehmender Trainingserfahrung und Motivation mit Fragen zum Thema Mahlzeiten und Nährstoff-Timing rund um die Trainingseinheiten. Manche behaupten, der Zeitpunkt der Proteinzufuhr, sogar einzelner Aminosäuren, sei entscheidender als die Tagesgesamtzufuhr. Die sogenannte Post-Work-out-Mahlzeit stelle dabei die wichtigste Mahlzeit dar. Dieser Zeitraum nach dem Training wird als «anaboles Fenster» bezeichnet, in dem Sportler eine vor allem proteinreiche Mahlzeit zu sich nehmen sollten. In der Theorie klingt das durchaus sinnvoll, denn der trainingsbedingte katabole Zustand (Abbaustoffwechsel) könnte so unterbunden, beschädigte Strukturen und Muskelgewebe schneller regeneriert und die Energiespeicher (Glykogen) zügig wieder aufgefüllt werden. Insgesamt stellt sich der Organismus durch das Nährstoffsignal auf regenerierende und aufbauende Stoffwechselprozesse um, sodass er für die nächste Trainingseinheit besser gerüstet ist.

Daraus ergeben sich weitere Fragen: Befindet sich der Körper durch das Training tatsächlich in einem katabolen Zustand? Oder sind noch genug Nährstoffe im Blutkreislauf, in den Gewebespeichern oder sogar – noch nicht aufgenommen – im Magen-Darm-Trakt vorhanden? Wie lange ist das «anabole Fenster» geöffnet? Und ist bei einer späteren Nährstoffzufuhr das Training umsonst gewesen?

Auf- und Abbau von Muskelprotein

In unserem Körper ist ein ständiger und gleichzeitiger Auf- und Abbau von Proteinen im Gange. Dieser Prozess findet grösstenteils in der Skelettmuskulatur statt. Hier werden etwa 80 Prozent der Aminosäuren aus dem Proteinabbau zum Aufbau neuer Proteine wiederverwendet. Das Verhältnis zwischen Muskelproteinaufbau (MPS; engl.: muscle protein synthesis) und Muskelproteinabbau (MPB; engl.: muscle protein breakdown) wird als «net protein balance» bezeichnet. Für den Muskelaufbau sollte das Verhältnis entsprechend positiv sein.

Bei Untrainierten kann allein das Krafttraining zu einer Verdopplung der Muskelproteinsynthese führen. Jedoch wird dieser Effekt durch einen erhöhten Abbau im Nüchternzustand reduziert (Kumar et al., 2009). Um die «net protein balance» positiv zu beeinflussen, muss also ein passendes Nährstoffsignal folgen, das den Trainingsreiz unterstützt. Der Einfluss von Aminosäuren speziell auf den Muskelproteinabbau ist vernachlässigbar und kommt vielmehr durch eine Begünstigung der Muskelproteinsynthese zum Tragen (Glynn et al., 2010). Die Überlegenheit von Aminosäuren bzw. Proteinen gegenüber der alleinigen Gabe von Kohlenhydraten scheint hierbei gegeben zu sein (Koopman et al., 2007; Staples et al., 2011). Insbesondere wird die Muskelproteinsynthese nach dem Training durch das Vorhandensein von essenziellen Aminosäuren im Blut begünstigt (Biolo et al., 1997; Glynn et al., 2010).

Für die Praxis lässt sich daraus ableiten, dass Proteine mit einer hohen biologischen Wertigkeit, z. B. aus Ei, Fleisch, Fisch, Milch oder Molkenprotein (Whey), die einen hohen Anteil essenzieller Aminosäuren aufweisen, optimal geeignet sind. Auch verschiedene pflanzliche Proteinquellen, wie z. B. Soja, weisse Bohnen, Linsen oder Nüsse (bedingt), können durch die Kombination mit anderen pflanzlichen Quellen eine hohe Wertigkeit erzielen.

Das Auffüllen der Glykogenspeicher nach dem Training gilt als ein wichtiger Einflussfaktor zur Einleitung regenerativer Prozesse. Der Glykogenstatus an sich ist eine entscheidende Grösse, wenn es um die Leistungsfähigkeit im Training geht. Eine (vollständige) Wiederauffüllung der Glykogenspeicher vor dem Krafttraining kann einen positiven bzw. protektiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit im Training haben und somit die Anpassungen ebenfalls positiv beeinflussen. Weiterhin sollte bei mehreren sportlichen Belastungen am Tag auf eine ausreichende Wiederauffüllung der Glykogenspeicher zwischen den Einheiten geachtet werden (Aragon & Schoenfeld, 2013). In diesem Zusammenhang besteht eine weitverbreitete Ernährungsstrategie darin, eine schnelle und möglichst hohe Insulinausschüttung nach dem Training zu erzeugen, um unter anderem die Verfügbarkeit von Aminosäuren für das Muskelgewebe zu erhöhen. Es ist allerdings fraglich, inwieweit es sinnvoll ist, Insulinspitzen nach der Trainingseinheit zu erzeugen, da ab einer gewissen Insulinkonzentration und bei gleichzeitigem Vorhandensein von Aminosäuren die Aufnahme dieser in die Muskelzellen nicht weiter gesteigert wird und die Stimulation der Muskelproteinsynthese vermutlich ausschliesslich auf den intrazellulären Aminosäuren beruht (Greenhaff et al., 2008; Rennie et al., 2006). Diese Insulinkonzentration wird bereits durch eine übliche gemischte Mahlzeit erreicht. Zudem bleibt sie je nach Mahlzeit über mehrere Stunden erhöht (Capaldo et al., 1999). Eine moderate Insulinausschüttung nach dem Training könnte dennoch von Vorteil sein, um die antikatabolen Effekte auf den Muskelproteinabbau zu nutzen, während gleichzeitig der anabole Effekt durch die Aminosäuren bestehen bleibt.

Wann und wie viel Protein?

Die publizierten Daten sind bezüglich des Zeitpunktes der Zufuhr von Nährstoffen zur Muskelproteinsynthese nicht einheitlich (Aragon & Schoenfeld, 2013). Zu verschieden sind die Ergebnisse, Studiendesigns, Probanden und Methoden, sodass im engeren Sinn Aussagen kaum möglich sind. Was man allerdings sagen kann: Beim Training mit suboptimal gefüllten Energiespeichern bleibt der Muskelproteinabbau erhöht und die Proteinbilanz negativ – trotz einer Erhöhung der Muskelproteinsynthese durch das Training (Kumar et al., 2009).

Eine leicht verdauliche und proteinreiche Mahlzeit ca. ein bis zwei Stunden vor dem Training zu verzehren, zeigt sich als sinnvoll, da die Trainingsleistung und der Nährstoffstatus verbessert werden können. Das Ziel des Muskelaufbaus kann durch eine längere Fastenperiode mit Krafttraining weniger gut erreicht werden. Die Pre-Workout-Mahlzeit kann somit gleichzeitig auch als Post-Work-out-Mahlzeit wirken, da die Nährstoffe durch die Zeit der Verdauung und Absorption auch noch nach dem Training deutlich erhöht im Blut vorzufinden sind und die Muskelproteinsynthese dauerhaft stimulieren (Tipton et al., 2001). Das «Fenster» ist demnach länger geöffnet und macht eine Post-Workout-Mahlzeit direkt nach dem Training eher optional. Eine proteinbetonte, gemischte Mahlzeit ein bis zwei Stunden später reicht dann aus, um die Regeneration und den anabolen Zustand wieder zu erhöhen bzw. hochzuhalten.

Liegt die letzte Mahlzeit vor dem Training länger als drei bis vier Stunden zurück, empfehlen Aragon und Schoenfeld (2013) nochmals etwa 25 Gramm Protein über eine leicht verdauliche Mahlzeit zuzuführen. Dies kann beispielsweise durch die Zufuhr von ca. 200 Gramm Magerquark, 170 Gramm Tofu, 120 Gramm Putenbrust oder 30 Gramm Molkenproteinpulver erreicht werden. In diesem Zusammenhang wurden auch Untersuchungen bezüglich der Proteinmenge, die eine maximale Stimulation der Muskelproteinsynthese bewirkt, durchgeführt. Die Ergebnisse waren ebenfalls nicht einheitlich, dennoch ist eine Zufuhr zwischen 20 und 40 Gramm Protein als Richtgrösse wahrscheinlich (Moore et al., 2009; Yang et al., 2012). Ältere Personen (Generation 65 plus) sollten sich dabei am oberen Ende des Wertebereichs orientieren, da für sie eine Auslastung der Muskelproteinsynthese erst durch die höhere Proteinmenge festgestellt werden konnte (Yang et al., 2012).

Fazit

Über die Relevanz der schnellen Nährstoffzufuhr nach dem Training entscheiden Zeitpunkt, Menge und Nährstoffgehalt der letzten Mahlzeit(en) vor dem Training. Je nach individueller Trainings- und Mahlzeitenplanung hat entweder die Pre- oder die Post-Workout-Mahlzeit einen entsprechend höheren Stellenwert (Kerksick et al., 2017).

Den Proteinen wird nach dem Krafttraining die grössere Bedeutung zugesprochen. Eine zeitnahe Kohlenhydratzufuhr ist zwar nicht zu vernachlässigen, spielt aber vermehrt eine Rolle für Ausdauersportler. Eine maximale Stimulation der Muskelproteinsynthese kann durch die Zufuhr von hochwertigem Protein in der Menge 0,4 g/kg Körpergewicht oder alternativ zehn Gramm essenzieller Aminosäuren (EAAs) alle drei bis vier Stunden erzielt werden (Kerksick et al., 2017).

An dieser Stelle ist anzumerken, dass eine vollständige Proteinquelle der Supplementierung von (einzelnen) Aminosäuren überlegen ist. Die Zufuhr von 30 bis 40 Gramm Casein (= Milchprotein) vor dem Schlafengehen geht zudem mit einer erhöhten Muskelproteinsynthese und Stoffwechselrate über Nacht einher, ohne dabei die Fettverbrennung nennenswert zu reduzieren (Madzima et al., 2014; Kinsey et al., 2016). Für den ambitionierten Freizeitsportler sollte allerdings in erster Linie das Ziel sein, die tägliche Gesamtproteinzufuhr von 1,4 bis 2,0 g/kg Körpergewicht über gleichverteilte Mahlzeiten zu erreichen (Jäger et al., 2017).

Auszug aus der Literaturliste

  • Aragon, A. A. & Schoenfeld, B. J. (2013): Nutrient timing revisited: Is there a post-exercise anabolic window? Journal of the International Society of Sports Nutrition, 10, 5.
  • Kerksick, C. M., Arent, S., Schoenfeld,  B. J., Stout, J. R., Campbell, B., Wilborn, C. D. et al. (2017). International society of sports nutrition position stand: nutrient timing. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 14, 33.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Niklas Schwarz

Niklas Schwarz, B. A. Ernährungsberatung, ist als Dozent, Autor und Tutor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie an der BSA-Akademie im Fachbereich Ernährung tätig. Praktische Erfahrung sammelte er mehrere Jahre als Fitnesstrainer und Ernährungscoach in der Betreuung von Sportlern sowie übergewichtigen Personen.

www.dhfpg-bsa.de