Damit Vorträge die gewünschte Wirkung haben…
7. Oktober 2020
FitnessTRAINING einfach erklärt – Das neue Buch von Peter Regli
7. Oktober 2020

Körperfettreduktion als Herausforderung Die Diät als Weg zurück zum Wohlfühlgewicht

Durch monatelanges Homeoffice und die Schliessung von Fitnesscentern haben einige Menschen an Gewicht zugenommen. Aber keine Sorge, es gibt die unterschiedlichsten Diätformen, die zurück zum Wunschgewicht führen und das Interesse an neuen Strategien scheint ungebrochen. Der Grund für dieses scheinbar unbändige Verlangen nach neuen Diätformen könnte allerdings sein, dass das Verhältnis von Aufwand zu letztendlich erzieltem Effekt der angewandten Diät nicht den Erwartungen entspricht. Warum diese vielversprechenden Diätformen meist nicht zum erhofften Ziel führen, wird in diesem Artikel dargestellt.

Der Abbau von Körperfett ist physiologisch ausreichend beschrieben: Nur wenn ein Energiedefizit besteht, mobilisiert der Körper eigene Energiereserven (Hall et al., 2012). Basierend auf diesem gemeinsamen Nenner lässt sich die Wirkung bisheriger und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aller zukünftigen Diätstrategien erklären. Lediglich die Art, wie das Energiedefizit erzielt wird, weicht bei den jeweiligen Diätformen voneinander ab.

Wichtigkeit des Energiedefizits

Die verminderte Fettzufuhr zum Einsparen von Energie spielt bei fettarmer Ernährung eine Rolle. Demgegenüber verhilft die reduzierte Kohlenhydratmenge bei kohlenhydratarmer Kost zu einer niedrigeren Energiezufuhr. Das Erhöhen der Protein- und Ballaststoffzufuhr fördert die Sättigung, wodurch weniger Nahrungsenergie aufgenommen wird. Vegetarische und vegane Kost gehen mit der Reduktion des Verzehrs energiereicher Fertignahrung einher. Beim intermittierenden Fasten gilt hingegen: Je geringer die Anzahl der am Tag eingenommenen Mahlzeiten, desto geringer erweist sich die Gesamt-energiezufuhr. Die Aufzählung von Diäten und deren Eigenschaften liesse sich beliebig verlängern. Allerdings gilt bei allen Diäten dieselbe Kernaussage, dass das Erzeugen eines Energiedefizits essenziell für die Gewichtsreduktion ist.

Als wichtiger Aspekt muss jedoch ergänzt werden: Je stärker das Energiedefizit, desto ausgeprägter zeigen sich folglich der Körperfett- und Körpermasseabbau (Anderson et al., 2001). Ein langfristiger Erfolg ist damit aber nicht gesichert. Dem Abnehmen folgt in der Regel die Wiederzunahme (Anastasiou, Karfopoulou & Yannakoulia, 2015). Daher interessiert weniger die Frage, welche Diät den grössten Erfolg gewährt. Vielmehr muss beleuchtet werden, warum Abnehmwillige oftmals nicht imstande sind, die Theorie der negativen Energiebilanz langfristig in ein praktisch anwendbares Massnahmenbündel umzumünzen.

Häufige Fehler mangels Handlungswissen

Ursachen hierfür sind unter anderem Wissenslücken und häufig fehlende Unterstützung durch Fachkräfte. Dadurch wird zum Beispiel eine erhöhte Fettverbrennung mit Körperfettabbau verwechselt und auch ein Gewichtsverlust mit Körperfettabbau gleichgesetzt. Sobald der Anteil der Kohlenhydrate in der Ernährung reduziert und der Anteil der Fette erhöht wird, lässt sich eine gesteigerte Fettverbrennung messen. Bei unveränderter Energiezufuhr kommt es aber nicht zum Körperfettabbau. Es werden lediglich mehr Nahrungsfette verbrannt (Bergouignan et al., 2012). Zudem kann der Abbau von Körpermasse zulasten der muskulären Kohlenhydratspeicher, des Körperwassers und der fettfreien Masse (u. a. Muskulatur) gehen (Eston et al., 1992). Der Abbau fettfreier Masse erhöht das Risiko, den Jo-Jo-Effekt auszulösen (Stubbs et al., 2018) sowie an Gesundheit und Lebenserwartung einzubüssen (Hamer & O’Donovan, 2017).

Empfehlungen wie «mehr Vollkorn» oder «mehr Obst und Gemüse» zu verzehren sind hinlänglich bekannt. Abnehmwillige folgen den Regeln mit dem Ergebnis, nicht abzunehmen. Die Erklärung für die Ursache zeigt zugleich das bestehende Defizit an Handlungswissen. Denn die Empfehlungen enthalten korrekterweise «mehr Vollkorn statt Weissmehl und Zucker» sowie «mehr Obst und Gemüse im Austausch gegen Softgetränke, Bratwurst usw.» zu verzehren (Thielecke & Jonnalagadda, 2014; Trumbo & Rivers, 2014). Werden Vollkornprodukte und Obst zusätzlich zu Weissmehl, Torte usw. gegessen, erhöht sich die Gesamtenergiezufuhr. Resultat ist eine noch stärker ausgeprägte positive Energiebilanz mit entsprechendem Körperfettansatz. Bewusst beliebte energiedichte Lebensmittel zu reduzieren, stösst aber auf wenig Begeisterung.

Freiräume für individuelle Vorlieben sind entscheidend

Die bisherige Darstellung zeigt: Die langfristige Kontrolle des Körperfett-anteils gelingt nicht, indem Einschränkungen und Verbote zur Voraussetzung gemacht werden. Der Grossteil der Abnehmwilligen ist nicht in der Lage, rigide Einschränkungen langfristig durchhalten zu können (Bryant, King & Blundell, 2008). Wenn Kuchen, Pommes usw. Teil der individuellen Lebensqualität sind, werden Diätformen mit entsprechenden Verboten scheitern. Die Schuld beim Abnehmwilligen zu suchen, ist nicht hilfreich. Vielmehr müssen Diätkonzepte daraufhin überprüft werden, inwiefern Freiräume für individuelle Vorlieben und alltagstaugliche Anwendungen bestehen. Dabei zeigt sich, dass viele propagierte Strategien tatsächlich unrealistische Einengungen von den Anwendern abverlangen. Hier ist es Aufgabe der Anbieter, alltagstaugliche und individuell flexible Konzepte zu erarbeiten. Nicht der Abnehmwillige soll sich an die Rahmenbedingungen des Diätkonzeptes anpassen müssen, sondern das Diätkonzept muss sich in den Alltag des Abnehmwilligen integrieren lassen.

Beispiele: In eine Low-Carb-Ernährung Vollmilchschokolade zu integrieren erscheint widersprüchlich. Wenn allerdings täglich 90 Gramm Kohlenhydratzufuhr akzeptiert werden und eine 100-Gramm-Tafel 54 Gramm Kohlenhydrate enthält, lässt sich gelegentlich eine definierte Menge der Süssware berücksichtigen. Eine Person, die das Frühstücken ablehnt, muss nicht dazu überredet werden, wenn die Energie- und Nährstoffzufuhr über die verbleibenden Mahlzeiten sicherzustellen ist. Eine Bratwurst oder ein Stück Kuchen hindern nicht daran, abzunehmen, wenn sich diese Lebensmittel in der negativen Energiebilanz berücksichtigen lassen. Limitiert wird die Anwendung solcher Massnahmen, da Abnehmwillige den eigenen Energiebedarf oft nicht kennen. Das Gehirn gibt kein eindeutiges «Stoppsignal», damit man weiss, bei welcher täglichen Energiemenge erfolgreiches Abnehmen bzw. der Körperfettabbau gelingen.

Individuelles Ziel entscheidender Faktor für Diätstrategie

Das Ziel, den Körper zu definieren, muss vom Vorsatz, den erhöhten Körperfettanteil abzubauen (Übergewicht bzw. Adipositas), abgegrenzt werden. Der Körperfettanteil kann, z.B. für Shows oder Wettkämpfe, vorübergehend durch radikales Hungern deutlich unter die Normwerte reduziert werden (Pardue, Trexler & Sprod, 2017). Eine langfristige Körperfettreduktion lässt sich auf diese Weise nicht erzielen. Mediale Darstellungen dürfen hier nicht mit reellen Möglichkeiten verwechselt werden. Häufig kommt es auch zu Fehlinterpretationen veröffentlichter wissenschaftlicher Studien. Fachpublikationen, die z. B. Massnahmen zur Gewichtsreduktion bei adipösen postmenopausalen Frauen untersuchen, lassen sich nicht auf junge Kraftsportler übertragen. Solcher wichtigen Details ungeachtet, wird vorschnell eine «neue Massnahme XY zur Maximierung der Fettverbrennung» herausgelesen, die folglich nicht funktioniert.

Fazit

Eine negative Energiebilanz ist für den Körperfettabbau erforderlich. Einen Königsweg gibt es nicht. Somit besteht ausreichend viel Freiraum für individuelle Vorgehensweisen. Davon profitieren unter anderem Übergewichtige, wenn die langfristige Kontrolle von Gewicht und Fettanteil beabsichtigt wird, da individuelle Ernährungsstrategien das Durchhaltevermögen positiv beeinflussen können.

Auszug aus der Literaturliste

  • Anastasiou, C. A., Karfopoulou, E. & Yannakoulia, M. (2015). Weight regaining: From statistics and behaviors to physiology and metabolism. Metabolism, 64 (11), 1395–1407.
  • Thielecke, F., Jonnalagadda, S. S. (2014). Can whole grain help in weight management? Journal of Clinical Gastroenterology, 48 (1), 70–77.
  • Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Jan Prinzhausen

Der Ernährungswissenschaftler Jan Prinzhausen ist Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie der BSA-Akademie. Ausserdem ist er Ernährungsberater am Olympiastützpunkt Thüringen und veröffentlicht Bücher zu den Themen Sporternährung, Abnehmen und Ernährungsberatung.

www.dhfpg-bsa.de