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Interview mit Fabian Ewald (ehemals Interbrain), Ticos Systems AG

Fabian Ewald (ehemals Interbrain), Ticos Systems AG
Fabian Ewald (ehemals Interbrain), Ticos Systems AG

Im letzten Jahr wurde die Fitnessbranche geschockt durch den Konkurs der IT-Firma Interbrain, bekannt durch ihr beliebtes Programm „Perfect“. Die Branchensoftware Perfect ist in sehr vielen Fitness- und Wellnessanlagen im deutschsprachigen Raum im Einsatz. Fabian Ewald war Mitinhaber, Geschäftsleitungsmitglied und Verwaltungsratsmitglied von Interbrain und gibt hier der FITNESS TRIBUNE Auskunft, wie es um die Software Perfect steht und wie es weitergeht.

RG: Fabian, herzlichen Dank, dass Du für dieses Interview zur Verfügung stehst. Wie ist es letztes Jahr zum Konkurs von Interbrain gekommen. Was waren die Auslöser?

FE: Roger, vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview. Zugegebenermassen eine schwere Frage zu einem komplizierten Thema. Sagen wir mal so, als wir in die Interbrain eingestiegen sind, war uns allen klar, dass es sich um einen Sanierungsfall handelte. Einfach gesagt, wurde ein handpoliertes Auto gekauft, bei dem das eine oder andere Problem lösbar schien. Im Laufe der Zeit platzte der Lack an allen Ecken ab und es stellte sich heraus, dass auch noch ein Getriebeschaden vorlag. So konnte die Interbrain nicht weitergeführt werden. Wir haben alle erforderlichen Massnahmen ergriffen, konnten aber die Altlasten und dadurch immer höher werdenden Verbindlichkeiten der Interbrain nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll abbauen. Somit war die Insolvenz unausweichlich, auch zum Schutz der Mitarbeiter.   

RG: Ihr habt die Migros als grössten Kunden verloren. Die Migros hat die Software zu TAC gewechselt. War der Verlust dieses grossen Kunden auch ein Grund für den Zusammenbruch von Interbrain?

FE: Da muss ich Dir leider widersprechen. Wir haben unlängst wieder Perfect3.3 in drei Anlagen der Migros installiert und sind in der weiteren technischen Testphase. Die Migros hatte sich schon 2011 entschieden, die Perfect-Software, sprich die Interbrain als Dienstleister zu ersetzen. Das weiss ich deswegen, weil ich mit einem Schweizer Kollegen von der Migros, im Auftrag der Migros, das Auswahlverfahren für die neue Softwareevaluation durchgeführt habe. Die Entscheidung der Migros fiel damals auf die TAC.

RG: Ich war selber als Studiobetreiber 23 Jahre Kunde von Interbrain. Wir hatten „Perfect“ im Einsatz in unseren Centern. Aus meiner Sicht kann ich Folgendes sagen: Perfect war ein sehr gutes und stabiles Programm. Leider war der Service von Interbrain über alle diese Jahre meistens sehr schlecht. Ist es so schwierig gute Serviceleute zu finden oder wieso hat es Interbrain nie geschafft, einen funktionierenden Service auf die Beine zu stellen?

FE: Aus diesem Grund führten wir 2016 mehrere Einzelgespräche mit Kunden und, Ja, der schlechte Service zog sich laut der Kunden schon einige Jahre hin. Nach intensiver Prüfung stellte sich heraus, dass den Kunden vom damaligen Management viel versprochen, aber fast nichts davon gehalten wurde. Das hatte folgende Ursache: Die Entwicklung, die grösstenteils damit betraut war, vorhandene Probleme und Neuerungen in der Perfect Software zu bearbeiten, war nicht in der Lage, die Aufgaben adäquat zu lösen. Der Support konnte immer nur so gut sein, wie den Mitarbeitern durch die Entwicklung zugearbeitet wurde. So vervielfältigten sich im Laufe der Jahre die Supportfälle, die nie gelöst werden konnten. Nachdem wir die Entwicklung komplett ersetzten, gingen die Supportfälle von 800 (2016-2017) auf unter 120 Pendenzen (2018) zurück.

RG: Du hast nun in Feuerthalen bei Schaffhausen mit Deinem Partner Eberhard Henter-Besting die Ticos Systems AG gegründet und Ihr habt die Rechte für die Software Perfect übernommen. Es geht also weiter mit „Perfect“?

FE: Richtig! Wir haben die damalige Ticos EKS (Eintritts- und Kontrollsysteme) aus der Ticos E&S AG übernommen. Die Rechte an der Perfect-Software waren ebenfalls bei uns und wurden in die neue Gesellschaft überführt und 90% der Interbrain-Kunden haben uns und der neuen Ticos Systems AG Vertrauen geschenkt. Der grosse Vorteil für unsere Kunden liegt darin, dass wir nun sowohl Hardware, wie Drehkreuze, Kassenautomaten, selbstentwickelte Schlösser, eine neue Studio-APP als auch die passende Perfect-Software anbieten können. Somit erhält der Kunde alles aus einer Hand.

RG: Viele Perfect-Kunden sind verunsichert. Wie stabil ist Eure neue Firma Ticos Systems und wie viele Mitarbeiter habt Ihr?

FE: Hinter der Ticos Systems steht ein Mitaktionär, der die Expansion finanziell unterstützt. Durch diese Sicherheit konnten wir die Zusammenführung beider Firmen umsetzen, rebuilden, Betriebsprozesse optimieren und eine neue Entwicklung aufbauen. Dadurch haben wir sowohl neue Hardware als auch neue Software entwickeln können. Die Perfect Gruppe der Ticos Systems, hat den grössten Anteil seiner Kunden im Fitness-Bereich in der Schweiz und der andere Ticos-Teil besitzt den Grossteil seiner Kunden im Bäderbereich in Deutschland. Somit ist die Ticos Systems AG sehr breit aufgestellt. Zudem haben wir seit 1. Juli 2018 in Hilzingen (DE) 450 Quadratmeter Produktion von Kassenautomaten, Assemblierung unseres neuen Schlosses und eine Reparaturannahmestelle in Betrieb genommen. Aktuell haben wir den Mitarbeiterstamm auf über 50 Personen, mit weiterer Tendenz nach oben, erhöht.

RG: Habt Ihr den Service verstärkt? Arbeiten auch ehemalige Interbrain-Mitarbeiter bei Euch?

FE: Um hier Perfect weiter voran zu bringen, haben wir geeignete Mitarbeiter der Interbrain gebeten, sich bei der damals neu gebildeten Ticos Systems AG zu bewerben. 99% der Mitarbeiter sind mitgezogen, womit bewiesen wäre, dass sich die Mitarbeiter sowohl mit der Perfect-Software und als auch mit dem neuen Management identifizierten. Der Service wird sukzessive sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz erweitert. Dabei nutzen nun beide Firmenbereiche das gleiche Ticketing Service-Support Tool, welches direkt mit der Entwicklung gekoppelt ist. So kann der Kunde schneller supported werden. Die Umstellung im Service ist noch im Gange. Er ist noch nicht optimal und wird daher laufend verbessert.

RG: Die Software Perfect lief zwar stabil, ist aber auch in die Jahre gekommen. Interbrain war in den letzten Jahren kaum mehr innovativ. Seid Ihr auch daran, Perfect weiter zu entwickeln?

FE: Leider war die Interbrain die letzten zehn Jahre nicht mehr innovativ, wobei dies aus heutiger Sicht gar nicht mehr machbar gewesen wäre. Die Perfect-Software hat eine sehr grosse Funktionalität, aber wenig ansprechende Haptik und Oberfläche. Wir haben die letzten anderthalb Jahre damit verbracht, die Perfect 3.0 weiter zu entwickeln, in der einige Dysfunktionalitäten der Vorgängerversion behoben wurden. Um nun den nächsten technischen Schritt zu machen, sind wir aktuell an der Perfect 4.0-Webversion dran. Diese Version bietet nicht nur eine neue Oberfläche, sondern auch neue technische Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Die Perfect 4-Webversion wird Ende des Jahres gelauncht und vorgestellt. Zwischenzeitlich wurde Perfect 3.3 mit DSGVO Anforderungen, GoBD (gerade in Zertifizierung), ISO20022, SAP und vieles mehr, erweitert.

RG: Hast Du sonst noch Infos oder News für die ehemaligen Interbrain-Kunden?

FE: Dadurch, dass wir die Rechte an den Versionen der Perfect 2 und Perfect 3 besitzen, sind wir der alleinige Ansprechpartner für ehemalige Interbrain-Kunden. Die Branche wird momentan gut durchgerüttelt. Gantner ersetzt seine HKS Software durch SYX, SYSTEAM wurde durch die M.A.C. Centercom übernommen und wer letztendlich eine stabile und zukunftsorientierte Studio-Software sucht, ist bei uns in diesen unruhigen Zeiten sicher besser aufgehoben!

RG: Ganz herzlichen Dank und viel Erfolg.

FE: Danke Dir für das Interview.