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Interview Marcel Baumann – Seit 30 Jahren auf der Bühne

Der Zürcher Marcel Baumann ist seit 1984 in der Fitnessbranche tätig und unterrichtet seit 30 Jahren Gruppenkurse. Er war einer der ersten Mitarbeiter der SAFS AG und einer der ersten Mitarbeiter vom damaligen TC Training Center in Dietikon. Als Ausbildungsleiter hat er bereits mehrere Tausende Studenten ausgebildet und als internationaler Presenter die Massen begeistert. Marcel Baumann ist zudem einer der bekanntesten und erfolgreichsten Personal Trainer der Schweiz, viele Prominente halten sich durch ihn fit.

Grund genug für Roger Gestach, mit Marcel Baumann ein Interview zu führen.

RG: Marcel, Du bist seit 33 Jahren in der Fitnessbranche tätig und seit 30 Jahren unterrichtest Du Gruppenkurse. Hast Du noch immer Lust auf die Fitnessbranche nach so vielen Jahren?

MB: Auf jeden Fall! Die Fitnessbranche entwickelt sich laufend weiter, und auch meine Tätigkeitsfelder haben sich in den letzten Jahren immer wieder verändert und sich den neuen Herausforderungen angepasst. Dadurch bin ich sehr vielseitig und in unterschiedlichen Bereichen unterwegs, momentan im Gruppenfitness, als Personal Trainer und als SAFS-Dozent. Darüber hinaus werde ich zu verschiedenen Events im In- und Ausland eingeladen. So komme ich immer noch viel herum und es wird nie langweilig. Mein Netzwerk ist durch meine langjährige Tätigkeit sehr gross und ich geniesse es, mich immer wieder mit alten Freunden und Bekannten aus der Branche auszutauschen. Mal sehen, was noch alles so kommt – in den nächsten 30 Jahren.

RG: Du warst einer der ersten Mitarbeiter bei der SAFS und bei TC Training Center. Hast Du für unsere Leser vielleicht eine lustige Geschichte aus Deinen Anfangszeiten?

MB: Vor etwa 15 Jahren habe ich auf einer SAFS Convention – damals noch in der ETH Polyterrasse in Zürich – mit meinem Freund Andy Sasse ein legendäres Team Teaching gegeben. Vor der Convention sind wir zu meinem Chef, Heinz Thürig, gegangen und sind mit ihm folgenden Deal eingegangen: Wenn wir es schaffen, dass alle 500 Teilnehmer unserer Master Class im Chor „Heinz, Heinz, …“ rufen, erhalten wir die doppelte Gage. Heinz willigte ein, weil er natürlich davon ausgegangen ist, dass wir das niemals schaffen würden. Du kannst Dir sicher denken, wie die Geschichte ausgegangen ist: 500 Teilnehmer riefen seinen Namen, während er mit hochrotem Kopf auf der Galerie stand und fassungslos in die Menge blickte. Über das Geld haben wir uns natürlich sehr gefreut. Ich glaube, wir haben es am Abend beim Feiern direkt umgesetzt.

Zur TC-Geschichte: Eines Morgens bin ich ins TC Training Center Dietikon arbeiten gegangen und aufgrund einer Überschwemmung in der Nacht, lief das Wasser in Strömen aus der Fassade. Dazu sollte man vielleicht noch wissen, dass das TC in Dietikon im fünften Stock eines Hochhauses lag. Der gesamte Kraftraum war überflutet und die Feuerwehr war im Einsatz. Alle kamen – inklusive Edy Paul, der Besitzer – und schaufelten das Wasser in Gummistiefeln aus den Gängen in Kübeln, diese wurden dann von der Feuerwehr abgepumpt. Der Betrieb ging ganz normal weiter und die Mitglieder trainierten noch wochenlang in Wasserpfützen auf der Trainingsfläche. Rückblickend kann ich sagen, dass es uns alle näher zusammengebracht hat, sowohl die Team- als auch die Studiomitglieder.

RG: Du hast die verschiedenen Epochen der Fitnessbranche live miterlebt. Was waren für Dich die Meilensteine der Branche in den letzten Jahren?

MB: Also, als erstes sicher die Entwicklung vom Body Building Studio zum Fitnessstudio mit den Angeboten Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit. Dann sehe ich die rasante Entwicklung im Gruppenfitness als Meilenstein. Von der Anfangszeit mit Low – und High Impact Aerobic über die Entwicklung des Reebok Step Trainings bis hin zum Hip Hop und Dance. Sicher hat auch die Integration der Pilates- und Yoga-Stunden in den Fitnesscentern einen weiteren Meilenstein gesetzt, da dadurch völlig neue Zielgruppen angesprochen wurden. Wenn wir im Gruppenfitness bleiben, dürfen wir natürlich Indoor Cycling nicht vergessen. Das Functional Training sehe ich als logische Weiterentwicklung von allem und setzte hier auch den aktuellen Meilenstein.

RG: Wie hat sich die Branche aus Deiner Sicht gewandelt? Was sind die positiven Aspekte? Was aber war damals besser als heute?

MB: Ich bin der Meinung, dass der Zusammenhalt im Fitnesscenter früher intensiver war. Das bezieht sich auf die Mitarbeiter und auf die Mitglieder. Es war alles sehr familiär, man blieb „seinem“ Fitnesscenter treu, teilweise über sehr viele Jahre. Es haben sich Communities gebildet, die auch ausserhalb des Centers viel freie Zeit miteinander verbrachten. Die Mitglieder waren mehr auf die Angebote im Fitnesscenter konzentriert, was sich positiv auf die Motivation und den Ehrgeiz ausgewirkt hatte. Heutzutage hat man unendlich viele Alternativen, die Freizeitangebote sind vielfältiger geworden. Was ist heute besser? Das Angebot im Fitnesscenter selbst ist natürlich auch gewachsen und bringt dadurch mehr Abwechslung. Mittlerweile gibt es beinahe für alle Zielgruppen in jeder Region das passende Training.

RG: Damals gab es noch keine Fitnessketten in der Schweiz. Empfindest Du den Einzug von den Ketten in die Branche als positiv oder negativ?

MB: Ich stehe dem eher negativ gegenüber. Viele einzelne Betriebe haben Mühe, ihre Existenz zu sichern und können nicht im gleichen Tempo wie die Ketten ihre Angebote anpassen oder erweitern. Hinzu kommt, dass die Individualität der Branche immer mehr abnimmt.

RG: Auch im Kursbereich ist in dieser Zeit viel passiert. Programme sind gekommen und auch wieder verschwunden. Nur die wenigsten Programme haben alle diese Jahre überlebt. Was sind für Dich die herausragenden Kursprogramme der letzten Jahre?

MB: Wie vorhin schon erwähnt, ist sicher der Reebok Step eine Innovation gewesen, die den Kursbereich völlig verändert hat. Les Mills ist weltweit aus dem Gruppenfitness-Bereich nicht mehr wegzudenken. Es ist unglaublich, welche Gemeinschaft unter den Instruktoren dank dieser Programme entstanden ist. Wer jemals auf einem Les Mills Live Event gewesen ist, weiss wovon ich spreche. Aber auch aus Sicht des Centerleiters hinsichtlich der Qualitätskontrolle ist Les Mills eine Erleichterung. Mitglieder suchen gezielt nach Fitnesscentern mit diesem Angebot. Trends wie Zumba, Tae Bo und überhaupt die kampfsportorientierten Programme sorgen immer wieder für frischen Wind im Kursbereich. Toning-Kurse sind nach wie vor die begehrtesten Kurse im Fitnesscenter überhaupt. Ich glaube, dass wird auch immer so bleiben, weil diese Kurse den meisten Bedürfnissen der Mitglieder entsprechen. Innovative Programme wie FunTone®, das ist das Programm der SAFS, verbinden den aktuellen Trend des funktionellen  Trainings mit dem Klassiker Toning.

RG: Einige Fitnesscenter haben in den letzten Jahren Gruppenkurse aus dem Programm genommen. Neue Center sind entstanden ohne Kurse. Die Discounter hatten anfänglich gar keine Kurse angeboten. Jetzt kommen die Kurse in Form von Cyber-Kursen zurück. Ich muss persönlich zugeben, ich habe anfänglich nur gelacht über Cyber-Kurse. Inzwischen sind aber diese Programme und auch die Technik viel besser geworden. Cyber-Kurse sind für Centerbesitzer finanziell lukrativ. Was denkst Du, wird zukünftig der Kursleiter vollständig durch den Beamer ersetzt oder wie siehst Du die Zukunft im Kursbereich?

MB: Es hängt sicher mit der Qualität der Kurse und der professionellen Ausstattung des  Gruppenfitnessraumes ab. Häufig scheitert die Umsetzung schon an der Infrastruktur. Les Mills hat mit Virtual sicher einen neuen Benchmark in diesem Bereich gesetzt. Wenn man die Mitglieder mit einem „echten“ Instruktor langsam an das Medium heranführt, in dem das Video im Hintergrund läuft, kann die erfolgreiche Einführung gelingen. Das macht schon Sinn, denn so kann man tagsüber die Gruppenfitnessräume füllen, wo sie normalerweise leer stehen. Aber sicher werden Cyber-Kurse niemals einen echten Kursleiter ersetzen.

RG: Deine Haupttätigkeit ist seit längerem nicht mehr das Unterrichten. Du bist seit vielen Jahren sehr erfolgreich als Personal Trainer tätig. Wie ist es dazu gekommen?

MB: Das war gar nicht so geplant. Ich habe jahrelang für Mercedes Benz in Stuttgart Gesundheitsseminare gegeben. Bedingt durch die Wirtschaftskrise wurden diese Seminare abgesetzt und ich musste mir kurzfristig eine Alternative überlegen, wie ich meinen Lebensunterhalt sichern konnte. Dank meines Netzwerks habe dann meinen ersten Kunden im Personal Training bekommen. Offensichtlich habe ich meine Arbeit ganz gut gemacht, denn ich wurde schnell weiter empfohlen und hatte schon bald einen festen Kundenstamm. So ist es bis heute und dafür bin ich sehr dankbar. Mittlerweile gehören viele Promis und Wirtschaftsgrössen zu meinen Auftraggebern. Und ich setze auf die Zielgruppe 70 Plus. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich mehrere 90-Jährige zu meinem Kundenstamm zählen darf.

RG: Jedes Jahr machen sich viele junge Leute selbständig als Personal Trainer. Nur die wenigsten schaffen es aber, damit langfristig Erfolg zu haben und davon den Lebensunterhalt zu finanzieren. Was braucht jemand, um als Personal Trainer erfolgreich zu sein?

MB: Fachwissen und ganz viel Empathie, Interesse am Menschen allgemein. Wer mit sich selbst beschäftigt ist, kann anderen nicht helfen. Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung. Es ist wie ein guter Wein. Ein Personal Trainer braucht Zeit zu reifen. Leider gibt es in dem Bereich viele schwarze Schafe, die sich in Hochglanzmagazinen und Homepage als Personal Trainer präsentieren ohne jemals eine Ausbildung in dem Bereich gemacht zu haben. Kunden, die einmal schlechte Erfahrung gemacht haben, reden dann verständlicherweise nicht gut über unser Metier. Ich kann nur jedem ans Herz legen, der als Personal Trainer langfristig erfolgreich sein möchte, eine fundierte Ausbildung zu absolvieren. Dafür ist die SAFS natürlich die beste Wahl. Hier wird nicht nur das Training mit dem Kunden von allen Seiten beleuchtet, sondern auch eine Marketing- und Businessplanung vorgenommen, um die langfristige Selbstständigkeit auch finanziell zu sichern.

RG: Wie sieht heute Dein Arbeitsalltag als Personal Trainer aus? Gehst Du mit Deinen Kunden ins Fitnesscenter oder trainierst Du die Kunden mehrheitlich bei ihnen zu Hause?

MB: Die Zusammenarbeit als freier Personal Trainer ist mit dem Fitness-center sehr schwierig. Viele Fitness-center wollen gar keine, andere verlangen so viel Geld, dass die Rechnung für den Personal Trainer nicht aufgeht. Ich bin viel bei meinen Kunden zu Hause und gehe immer, wenn das Wetter es nur einigermassen zulässt, ins Freie. Meine Kunden schätzen es, dass ich zu ihnen komme, weil das Training im Center für sie nicht in Frage kommt und sie dadurch viel Zeit verlieren. Vereinzelt gehe ich natürlich auch mit meinen Kunden in ausgewählte Fitness-center.

RG: Gemäss meinen Informationen, trainierst Du auch ganz prominente Persönlichkeiten. Darfst Du uns darüber mehr erzählen?

MB: Sorry, das ist top secret.  So gerne ich auch Namen nennen würde.

RG: Durch Deine Tätigkeiten siehst Du sehr viel, was in der Fitnessbranche passiert, sowohl bei den Einzelstudios wie auch bei den Ketten. Die Einzelstudios betonen immer wieder, dass die Betreuung bei ihnen besser sei, als bei den Ketten. Kann man im Allgemeinen sagen, dass die Einzelstudios besser betreuen, oder wie siehst Du dies?

MB: Da kann ich kein Pauschalurteil fällen. Ich glaube sogar, dass es in den Ketten Unterschiede gibt, je nach Centerleitung. Dann gibt es die grundsätzlichen Philosophieunterschiede, diese sind häufig an den Preis gekoppelt. Letzten Endes muss jeder Interessent beim Probetraining selbst herausfinden, ob er am richtigen Ort ist. Ich wünsche mir allerdings, dass allgemein wieder mehr betreut wird und auf die Mitglieder eingegangen wird. Auch sind seit Jahren die Löhne in der Fitnessbranche stagniert. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass geeignetes und gutes Personal schon gar nicht erst interessiert ist, in der Fitnessbranche zu arbeiten und das spiegelt sich massiv in der Qualität und Betreuung nieder.

RG: Wie siehst Du die Entwicklung der Branche? Gibt es in ein paar Jahren nur noch die grossen Ketten?

MB: Es gibt viele Standorte, die für die Ketten gar nicht attraktiv sind. Dann gibt es immer noch einige individuelle Einzelstudio, die mit Herzblut dabei sind. Die werden weiter erfolgreich sein. Sicher ist eine klare Positionierung am Markt dafür die Voraussetzung ebenso wie starke Kooperationspartner. Die Zeiten, in denen die Fitnesscenter anonym und jeder für sich arbeitete, sind meiner Ansicht vorbei.

RG: Im März 2019 findet zum 15. Mal das Mountain Move und zum dritten Mal das Netzwerktreffen in Arosa statt. Du warst seit Anfang an dabei bei Mountain Move. Was ist die Faszination von Mountain Move?

MB: Die Berge, das Ambiente, die lockere Atmosphäre und die Teilnehmer. Es ist eine kleine Familie, in der jeder mit offenen Armen aufgenommen wird. Die Kombination aus Training, Spass und Wintersport wird von allen sehr geschätzt. Das Netzwerktreffen ist relativ neu und entwickelt sich gut. Wir wachsen stetig.

RG: Marcel Baumann war oder ist auch als DJ tätig. Bist Du immer noch als DJ unterwegs?

MB: Ja, House Music all night long. Aber nur noch an ausgesuchten Locations und Events. Zum Beispiel beim SAFS Fitness und Party Camp, das jährlich im September in Kooperation mit dem Robinson Club Daidalos auf Kos stattfindet. Musik ist nach wie vor meine absolute Leidenschaft. Ich bin stolzer Besitzer einer umfangreichen Vinyl-Plattensammlung, die sich sehen lassen kann. Nach wie vor mixe ich meinen Sound für meine Kurse selber zusammen. Für viele Kursleiter sind meine Mixe MB-Records immer noch in guter Erinnerung. Ich bin sehr erfreut darüber, dass ich bezüglich meines 30-jährigen Kursleiter-Jubiläums mit Wow Music einen geeigneten Partner an meiner Seite habe, der nächstes Jahr mit mir als DJ Mister MB, einen einzigartigen House Mix herausbringen wird. Du kannst Dir sicher sein, dass auf dieser Jubiläumsausgabe, das Beste vom Besten zusammen gemixt ist, was in 30 Jahren House Music produziert worden ist.

RG: Was machst Du privat gerne ausser Fitness?

MB: Eben, Musik. Ich mache nach wie vor auch selbst viel Sport und Fitness, gehe auf Konzerte und koche sehr gerne für Freunde und mich selbst. Dank meines Kooperationspartners Porsche Center Zürich fahre ich einen sehr schönen und schnellen Sportwagen, das ist für mich Freiheit pur und zaubert ein spezielles Grinsen in mein Gesicht.

RG: Ganz herzlichen Dank und auf weitere 30 Jahre.

MB: Sehr gerne. Move Your Body.