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Gesundheits- und Fitnesscenter – Der Kunde im Mittelpunkt

«Nehmen Sie Medikamente, sind Sie in ärztlicher Behandlung, haben Sie Beschwerden am Bewegungsapparat, leiden Sie unter Stoffwechselbeschwerden und/oder Atemwegsbeschwerden, hatten Sie in der Vergangenheit Operationen und zu guter Letzt, leiden Sie unter Herzkreislaufbeschwerden?» Fragen wie diese bereichern den Standard-Fragebogen im Fitnesscenter und werden mit individuellen Fragen der jeweiligen Center wie «Rauchen Sie?» etc. ergänzt. Ebenfalls häufig anzutreffen ist die Befragung nach Dr. Probst betreffend Herz-Kreislaufrisiko. Neu hinzugekommen ist das Erfassen des Stresslevels, des Schlafverhaltens bzw. der grundsätzlichen Lifestyle-Anamnese.

Oftmals erfolgen zusätzliche Standortbestimmungen, welche dem Kunden aufzeigen wie sein aktueller Fitnesslevel ist. Auch werden aktuell immer mehr Tests integriert, welche die Funktionalität des Bewegungsapparates testen sollen und spezifische Übungen dadurch abgeleitet werden können. Des Weiteren sind BI-Analysen, Spiroergometrie, Testgeräte für die Rumpfkraft, Gentest für die Ermittlung von Risikofaktoren oder zur Bestimmung der Ernährung etc. gängige Mittel, um eine Standortbestimmung durchzuführen, Empfehlungen auszusprechen und die Wirksamkeit des Trainings aufzuzeigen.

Fehlen dürfen natürlich auch die «Maximusminimalistus» nicht, welche den Fragebogen, wohl aus papiersparenden Gründen, auf eine A5 Grösse reduzieren und gerade mal 6 Fragen stellen.

An den möglichen Befragungen und Standortbestimmung mangelt es mit Sicherheit nicht. Wo es aber gewaltig mangelt ist in der Auswertung bzw. der Interpretation der Tests. Bei einem Grossteil der Anamnesen handelt es sich um ein notwendiges Übel um sich versicherungstechnisch abzudecken. Andere Tests geben hingegen klare Auskünfte darüber, welche Strukturen allenfalls gestärkt werden sollten, leider werden sie wieder auf ein lokales, muskuläres Geschehen reduziert.

Was vollends fehlt, ist die Befragung über mögliche emotionale Engpässe oder klaren psychischen Beschwerden. Diese sind in unserer beschleunigten Zeit markant auf dem Vormarsch und es wird nach wie vor nicht genügend darauf reagiert. Möchte man wissen warum, bekommt man die Antwort: «Wir sind keine Psychologen und das steht uns nicht zu». Wenn es danach ginge dürften wir auch die anderen Fragen nicht stellen, denn wir sind keine Orthopäden, Kardiologen oder gar Suchtspezialisten, wenn es um das Rauchen geht. Ebenfalls sind wir meist keine Ernährungsberater, geben aber trotzdem Empfehlungen über mögliche Supplemente ab oder bieten gar Ernährungsberatung an.

Was ebenfalls nicht beachtet wird, ist die Vernetzung der einzelnen Beschwerden untereinander im Sinne des «Triad of Health». Viele von uns wissen, dass «irgendwie» alles zusammenhängt, doch wir können es nicht richtig erfassen bzw. bewerten. Warum? Die Antwort ist einfach, in unserer medizinischen Denkweise sind diese Verbindungen in keinem Modell integriert. Es gab und gibt zwar immer wieder Versuche, solche Verbindungen herzustellen, doch scheiterten sie schon in ihrem Grundsatz bzw. an der Tatsache, dass nicht alle Faktoren integriert sind.

Auf der Suche nach einem Problemlöser für die Gestaltung eines Gesundheitscenters

Um sich Gesundheitscenter nennen zu dürfen, muss – meiner Meinung nach – diese Verbindung konzeptionell verpflichtend sein. Wer in seinem Center eine Physiotherapie oder eine Arztpraxis integriert, verfolgt dieses Konzept ebenfalls, doch meist leider auch hier ohne zusammenhängendes System. Unter einem zusammenhängenden System verstehe ich, dass Symptome, Beschwerden und psychologische Faktoren sich gegenseitig ergänzend in allen Bereich erklärt und definiert werden können. Wenn ich also Symptom A habe, dann weiss ich genau, dass ich Lebensmittel A, Mentalcoaching A und myofasziale Strukturen A bearbeiten muss und sich dies im Hintergrund auch klar begründen lässt.

Existiert ein solches Tool in der Praxis tatsächlich, so würde es die Programmgestaltung in der Praxis revolutionieren.

Physiotherapien denken nach wie vor, dass Fitnesscenter nicht gegen Schmerzen vorgehen sollten und Fitnesscenter denken, dass Physios keine Trainings für Gesunde gestalten können. Beide haben nicht ganz unrecht! Irgendwie muss also die Lücke dieser beiden Parteien miteinander verbunden werden, so dass der Trainer mit seinem Know-how gegen Schmerzen vorgehen kann und der Physio für Gesunde ein anständiges Training zusammenstellen kann. Dazu bedarf es aber einem gemeinsamen Konzept und dieses fehlt. Der Trainer kann nichts mit der Anamnese des Physios anfangen, und umgekehrt ebenfalls nicht.

Auch kann von einem Trainer nicht grundsätzlich erwartet werden, dass er über ein solch tiefes Wissen verfügt, dass er spezifische Programme für die Schmerzbewältigung erstellen kann. Dafür sind die Ausbildungen zu unspezifisch und zu kurz, was einerseits wieder an der Zahlungsbereitschaft des Trainers liegt, andererseits in der Einstellung der Branche, dass ein Fitnesscenter nicht therapieren darf, auch wenn wir dies tagtäglich trotzdem machen.

Zwar werden immer mehr Gesundheitscenter eröffnet bzw. nutzen den aktuellen Boom um auf diesen Zug aufzuspringen, doch primär steht der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund und nicht wirklich die Gesundheit des Kunden. In jedem Gespräch, welches ich mit Centern führe, höre ich: «Wir überlegen, uns neu als Gesundheitscenter zu positionieren um mehr Kunden zu gewinnen»! Sollte es nicht heissen: «Wir überlegen uns, wie wir unser Know-how in der Schmerzbewältigung verbessern können, damit der Kunde präventiv und/oder rehabilitativ maximale Erfolge erreicht»!? Wir überlegen aktuell zu viel wie wir wirtschaftlich erfolgreich sein können, anstatt wie wir die maximalen Erfolge für den Kunden erreichen. Die Wirtschaftlichkeit ist meist von kurzer Dauer, die Kundenzufriedenheit von generationenübergreifender Dauer. Die Fitnessbranche hat in den letzten Jahren, speziell mit der Digitalisierung, einen enormen Aufschwung erlebt. Wir konnten uns in vielen Dingen verbessern: Tracking, Scanner, Spielerisches-Fitness, automatisch gesteuerte Fitnessgeräte, Verkaufs- und Marketingmöglichkeiten, um nur einige zu nennen. Viele Geräte wurden entwickelt, um den Trainer in seiner Tätigkeit zu ersetzen, zu unterstützen oder ihm die Arbeit zu vereinfachen.

Daran ist grundsätzlich auch nichts falsch, doch sollten wir die Tools nicht so entwickeln, dass wir den Trainer an der Front fachlich bereichern, ohne dafür viel Geld und Zeit auszugeben? Sollten wir nicht eher darauf bauen, die Beziehung des Kunden zum Trainer fachlich zu untermauern und dadurch die Kundenbindung zu erhöhen? Sollten wir nicht ein Konzept erstellen, welches sowohl das Center, den Trainer und insbesondere auch den Kunden vor einer Abhängigkeit beschützt?

Doch, genau das sollten wir, doch dann kommt wieder die Trainerfluktuation ins Spiel, welche leider enorm hoch ist. Aus diesem Grund ist dann auch die Bereitschaft für ein Investment in einzelne Fitnesstrainer eher auf interne Schulung beschränkt. Auch wenn entsprechend in einen Trainer investiert wird und auf ihn basierend ein Konzept angeboten wird, welches fachlich nur dieser Trainer oder allenfalls ein weiterer beherrscht, geraten wir in eine Abhängigkeit… Also sicher nicht der richtige Weg. Dann sind da immer wieder diese Investitionen, auch in die entsprechende App, das Gerät oder die Abogebühren, welche alle Center mittlerweile als extrem störend empfinden. Zudem habe ich nachher hundertmal Login plus Dokumente, welche ich ausdrucken muss. Und dann natürlich immer wieder die Aussage, dass der Kunde nicht bereit ist dafür zu bezahlen. Doch ist er das wirklich nicht oder bieten wir einfach das Falsche an?

Idealerweise sollte für das Fitnesscenter ein Tool existieren, mit welchem das Center unabhängig bleibt, die fachliche Fähigkeit frappant unterstreicht, geräteunabhängig ist, wenig bis keine Zeit für die Einschulung investieren werden muss, die Zufriedenheit und Schmerzfreiheit des Kunden verbessert, die Arbeit zeitsparend erleichtert aber trotzdem professionalisiert. Etwas, womit Sie zusätzlich Geld verdienen, ohne vorher etwas dafür zu bezahlen und mit einem öffentlichen Marketing mehr Kunden generieren.

Auf der anderen Seite steht da der Kunde, der sich Gedanken über eine Zusatzdienstleistung der Anamnese macht und sich überlegt: «Was genau habe ich denn davon?». Einerseits sieht er sich damit konfrontiert, dass er die Daten nicht besitzt, wenn er das Center verlässt, andererseits sieht er speziell im Bereich Gesundheitstraining den zu erwartenden Mehrwert nicht. Letztlich sollte der Kunde nach der Anamnese genau wissen, was er nun machen soll, um seine Schmerzen zu lindern. Hinzu kommt noch, dass die Anamnese auf die Aktivität im jeweiligen Fitnesscenter beschränkt und für ihn somit nicht wirklich relevant ist. Es müsste schon etwas sein was ihn auch in seinem Alltag bestärkt, alle Fragen abdeckt und ihn auch in seinen anderen Lifestyleaktivitäten unterstützt bzw. welches er auch in einem anderen Fitnesscenter anwenden kann.

Aus Kundensicht bedarf es einer Lösung, welche ihn ganzheitlich und systematisch analysiert, ihm also sowohl Verhaltenstipps, Ernährungsvorschläge und klare Trainingsvorschläge liefert, die Tipps und Übungen nicht auf das Center beschränkt sind, evidenzbasiert nachweislich Schmerzlindernd sein kann, fachlich durch eine Institution untermauert ist und wohl am Wichtigsten: Dass die Empfehlungen ihm gehören, auch wenn er das Center wechselt. Dafür ist der Kunde dann auch bereit zu bezahlen, wir haben das in der Praxis eruiert und der Kunde wäre für eine solche Anamnese bereit zwischen 50 und 70 Franken zu bezahlen. Für zusätzliche Anamnesen, welche ihn in der Schmerzbewältigung unterstützen, werden bis zu 200 Franken ausgegeben.

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe.

Ronald Jansen

www.360-pain-academy.com