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Fitness 4.0 – Mehr Qualität durch Digitalisierung?

von  Paul Eigenmann / QualiCert AG

Aber was um Himmelswillen ist Qualität?

Alle reden von Qualität, aber wissen auch alle, die davon sprechen, was das denn ist? Wahrscheinlich schon, aber bei der Qualität, an die sie denken, handelt es sich um „ihre“ Qualität. Ob das auch dem Qualitätsverständnis anderer Kunden entspricht, ist ungewiss. In diesem Zusammenhang ist wohl ein Abstecher in die Lehre des Qualitätsmanagements sinnvoll. Der Begriff „Qualität“ kommt vom lateinischen Wort „qualitas“, was auf Deutsch „Beschaffenheit“ heisst. Beschaffenheit ist ein neutraler Begriff. Aus Sicht der Qualitätslehre betrachtet, bedeutet dies: Ob etwas – ein Produkt oder eine Dienstleistung – für eine zugedachte Nutzung „gut“ oder „schlecht“ beschaffen ist, entscheidet einzig der Nutzer. Es ist jene Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung, die den Bedürfnissen und Anforderungen eines Nutzers entspricht.

Einer der Pioniere im Qualitätsmanagement, Armand Feigenbaum, hat bereits 1991 in seinem Buch „Total Quality Control“ festgehalten, dass Qualität einzig durch den Kunden bestimmt wird, nicht durch Ingenieure, nicht durch Marketingabteilungen und auch nicht durch das Management. Auf die Fitnessbranche übertragen heisst dies, dass nicht Mediziner oder Physiotherapeuten die Qualität bestimmen, auch nicht Sportwissenschaftler oder Ausbildungsstätten und auch nicht Verbände oder gar der Staat, sondern einzig und allein der Nutzer der Dienstleistung „Fitnesstraining“. Etwas salopp formuliert könnte man sagen „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“.

Die Bedürfnisse der – auch zukünftigen – Kunden

Aus den obigen Feststellungen zum Qualitätsbegriff geht hervor, dass die Bedürfnisse der Kunden genau so unterschiedlich wie deren Anzahl. Und weil laufend immer mehr Menschen Fitness- und Trainingscenter besuchen – in Deutschland beispielsweise rechnen Experten mit um die 30% zusätzlichen Trainierenden in den nächsten 5 Jahren – werden auch die Bedürfnisse immer diverser. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es denn nicht eine Betrachtungsweise gibt, welche es erlaubt, gewisse allgemeine Grundsätze zur gewünschten Beschaffenheit der Dienstleistung «Fitnesstraining» zu definieren.

Und diese Betrachtungsweise gibt es! Es mag Ausnahmen geben, aber egal aus welchen Motiven jemand ein Fitness- oder Trainingscenter besucht, er oder sie erwartet eine Wirkung durch die Trainings. Aber nicht nur die einzelnen Menschen erwarten eine Wirkung, auch aus gesellschaftlicher Sicht ist der Beitrag der Fitnessbranche an die Volksgesundheit eine Frage der Gesamtwirkung. Und wer über Wirkung spricht – aus individueller oder volksgesundheitlicher Sicht – kommt um die Wirksamkeitsgleichung nicht herum. Zu dieser wichtigen Gleichung lassen sich in Zusammenhang mit der Dienstleistung von Fitness- und Trainingscentern drei Tatsachen feststellen:

  • Wenn einer oder beide der Multiplikatoren (Wirksamkeit / Anwendung) klein ist oder gegen Null tendiert, ist auch die Gesamtwirkung klein oder nahe Null. Dieser Tatsache wird gerade in volksgesundheitlicher Hinsicht immer wieder Rechnung getragen. Sicherheitsgurte sind belegter massen sehr wirksam – wenn man sie den anzieht. Deshalb hat der Gesetzgeber den «Multiplikator Anwendung» durch das Obligatorium massiv erhöht. Und die Gesamtwirkung dieser gesetzlichen Massnahme war und ist gewaltig: Die Zahl der Verkehrstoten ist seit der vorobligatorischen Gurtenzeit trotz massiv gestiegenem Verkehrsvolumen von rund 1’700 auf 230 tödlich verunglückte Menschen gesunken!
  • Die Wirkung von Training ist unbestritten, die gesundheitliche Wirksamkeit wissenschaftlich sehr gut belegt – sofern Mann/Frau mit stimmigen Hilfsmitteln und Geräten richtig trainiert.
  • Die Hauptherausforderung liegt allerdings in der Anwendung der Massnahme «Fitnesstraining». Auch richtiges Training mit stimmigen Hilfsmitteln und Geräten kann nur eine Wirkung zeitigen, wenn es auch durchgeführt wird. Es gibt eben nichts Gutes ausser man tut es!

Tabelle 1: Die Trainingskompetenz für stationäre Trainingsgeräte

Da Training aktuell und wohl auch zukünftig nicht gesetzlich vorgeschrieben werden wird oder kann, rücken die beiden anderen Gesichtspunkte in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei gilt es, sich auf Fakten, nicht subjektive Beurteilungen abzustützen.

Unter Berücksichtigung der Inhalte aus Tabelle 1 lassen sich einige fast anekdotische Aussagen machen:

  • Radfahren im Strassenverkehr ist aus Gleichgewichtsgründen viel schwieriger – und gefährlicher – als auf einem stationären Bike. Es darf aber jede/jeder in fast jedem Alter völlig unbeaufsichtigt und ohne Einführungstraining auf der Strasse velofahren.
  • Autofahren ist viel komplexer und gefährlicher als jede Übung im Fitnesstraining. Nach einem Kompetenzbeweis (Führerschein) dürfen in unserem Land 82% der Erwachsenenbevölkerung ohne Beaufsichtigung Autofahren.
  • Skifahren ist definitiv viel schwieriger und gefährlicher als Fitnesstraining. Wer stehen und gehen kann, darf in der Schweiz ohne vorgeschriebene Aufsicht auf die Pisten, und er/sie darf auch die schwarzen Abfahrten befahren unbesehen davon wie gut sein/ihr skifahrerisches Können ist.
  • Und wie wir in der nächsten Ausgabe sehen werden, kann die Digitalisierung insbesondere in den in Tabelle 1 gelb hinterlegten Bereichen zukünftig noch viele und fachlich hochstehende Beiträge leisten.
  • Auch in diesem Zusammenhang (siehe Tabelle 2) wird die Digitalisierung helfen die Effizienz des Trainings zu steigern und so den individuellen Zeitaufwand zu senken. Dass sich die Digitalisierung kostensenkend wirken und so auch die zeitliche Verfügbarkeit erhöhen kann, ist heute in der Branche bereits gut erkennbar.

Tabelle 2: Die Barrieren für die Anwendung von Fitnesstraining

Schlussfolgerungen

Die Faktenlage ist sowohl aus individueller Sicht (Penetrationsrate Fitnessmitgliedschaft) sowie natürlich direkt davon abhängig aus volksgesundheitlicher Hinsicht ideal. Die Fitnessbranche hat ein Angebot, das grundsätzlich wenig (teure) personale Betreuung bedarf und dadurch sozusagen dem hehren Ziel der WHO entspricht: Jeder kann selbstverantwortlich und selbständig Fitness machen und braucht dazu nicht notgedrungen und vor allem nicht immer eine Betreuung…

Personale Unterstützung benötigen alle jene, die aus psychologischen Gründen noch zögern, ein Fitnesstraining aufzunehmen. Aber diese Unterstützung ist nicht primär «trainingsfachlich»…

Personale Unterstützung benötigen zumindest initial auch jene, welche über physische Einschränkungen aufweisen. Diese Menschen müssen identifiziert und dann an entsprechend kompetente Personen oder/und Institutionen verwiesen werden. Auch hier wird die Digitalisierung helfen…