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Exzentrisches Training

Teil 1

Letztes Mal haben wir das Thema Epigenetik angeschaut und festgestellt, dass das Verrichten von Arbeit, wie wöchentlich dreimal Joggen, leider den Körper nicht positiv verändert, denn wie alle Trainer gelernt haben, braucht es einen überschwelligen Reiz. Dies allein reicht auch noch nicht aus, denn es braucht noch das bekannte Modell der Superkompensation, um den Körper positiv über eine längere Zeit zu stimulieren, damit er sich nachhaltig weiter verändert. Dies würde schluss-endlich dann auch dem formulierten Ziel unserer Kunden entsprechen. Mehr Muskeln, weniger Fett, Bauch weg, straffere Haut, keine Cellulite etc. sind die Hauptziele, warum Menschen trainieren und nicht Gesundheit und Schmerzfreiheit. Diese hinken weit hinterher. Also handelt es sich in erster Linie um sexuelle Attraktivität – Punkt! Auch wenn dies keiner so nennt.

Also muss ein Training in erster Linie nur eines, nämlich anabole Hormon-ausschüttungen provozieren, denn die sind genau für diese Wunschziele verantwortlich. Dabei ganz vorneweg: Testosteron! Zählen Sie keine Schritte, Kalorien und Bewegungen, sondern messen Sie lieber immer wieder das bioverfügbare Testosteron im Blut und das Cortisol (Stresshormon). Diese sind nämlich viel mehr für Ihre Wunschziele verantwortlich. Denn die Resultate kommen ja bekanntlich nicht im Training, sondern in der Regenerationsphase.

Das Ah und Oh im Training ist Reizdichte (Komprimierte Intensität pro Zeiteinheit). Genau hier liegt die Krux: Ist der Körper nicht geschockt beim Training, dann deklariert er dies als Arbeit (Bewegung). Jeder Trainer erklärt seinen Kunden, dass das Gewicht, der Widerstand, die Intensität im Training erhöht werden müssen, um Resultate zu erreichen. Gehen wir aber die Trainingspläne dieser Kunden durch, stellen wir fest, dass schon nach kürzester Zeit fast alle stagnieren und über Jahre die gleiche Arbeit verrichten mit demselben Widerstand, der den Körper, wenn es gut kommt, weniger schnell degenerieren lässt oder ein paar zusätzlich lächerliche Kalorien verbrennen lässt. Sofern Sie nicht schon nach ein paar Wochen abbrechen, weil es Ihnen zu anstrengend wird. Diese Bewegungstherapie ist zwar gesund für das Immunsystem aber weitentfernt von einem notwendigen Training, um die definierten Ziele der Kunden zu erreichen, wie das Abnehmen, das Muskeln Aufbauen, das Bindegewebe Straffen.

Problem Nummer Nr. 1

Wir sind immer noch Höhlenbewohner. Die Natur des Körpers sagt dem Menschen, in dem er Schmerzen beim HIIT Training empfindet und sich richtig schlecht fühlt: Tu das nicht, denn es verbrennt zu viele Kalorien! Dies ist oder war gefährlich in der freien Wildbahn. Doch seit es Lidl, Aldi und den Kühlschrank gibt, sieht es natürlich ganz anders aus.

Problem Nummer Nr. 2

In der freien Natur hatten wir fast immer Adrenalin-Ausschüttungen bei hochintensiven Belastungen, die unsere Schmerzen reduzierten und den Körper schützten. Grund: Kampf, Flucht, Verteidigung, Überlebensnotlagen.

Problem Nummer Nr. 3

In der freien Natur haben wir eine natürliche Limitierung für konzentrische Leistungen. Doch unter Todesangst können wir diese Limitierung aufheben und unglaubliche Reserven freisetzen, ohne dass der Körper Schaden nimmt. Das heisst, wir bleiben ohne Todesangst konzentrisch immer unterschwellig, also weit weg von unserer muskulären Kapazität oder Super-Kompensationsmöglichkeiten.

Problem Nummer Nr. 4

Wir trainieren hauptsächlich an Geräten für konzentrisches Training. Dies ist ein entscheidender Fehler, denn der Mensch ist in der Lage viel höhere Belastungen abbremsend zu ertragen, als er selber konzentrisch zu produzieren vermag; auch ohne Todesangst. Beispiel: Eine durchschnittliche Hausfrau drückt an der Beinpresse 70 Kilogramm und kann beim besten Willen nicht mehr Gewicht bewegen. Doch wenn sie von der Tischplatte runter springt auf eine Druckmessplatte oder Waage, bremst sie locker eine halbe Tonne ab. Dass dies auf ihre Muskeln, Knochen, Sehnen und Bänder einen ganz anderen Einfluss hat, liegt rein physikalisch auf der Hand.

Exzentrisches Training im Spitzensport

Dass exzentrisches Training erfolgreich ist, wissen wir spätestens seit Jean Pierre Egger mit Werner Günthör (zwei Meter gross, 130 Kilogramm schwer, dreifacher Weltmeister im Kugelstossen) mit der Langhantel auf dem Rücken Sprünge gemacht hat, wiederholt mehrere Treppenstufen runtergesprungen ist und eine schwere Kugel als Pendel aufgehängt durch Schwingen einarmig abgebremst hat, um seine Muskulatur exzentrisch zu trainieren.

Dies funktioniert ausgezeichnet, wie seine konzentrischen Werte gezeigt haben. Ausgezeichnet, aber mit einem negativen Nebeneffekt… .

Der grosse Nachteil bei dieser primitiven exzentrischen Methode ist, dass der Rücken und die Gelenke extrem leiden und die Verletzungsgefahr sehr hoch ist. Also wir fassen zusammen: Trainingslehre verstanden aber falsche Technologie eingesetzt!

Eine Power Plate liefert bis zu 8,5G aber kontrolliert auf ca. vier Millimeter; dies schlägt noch nicht durch die Gelenke. Dies wären auf einbeinig kurzzeitige Belastungen von 1,1 Tonnen bei einem 130 Kilogramm schweren Athleten und dies 50 Mal pro Sekunde. Lindsey Vonn, Ronaldo und andere trainieren heute intelligenter und setzen die Power Plate gekonnt ein. Das Gleiche gilt für den reACTtrainer, der mit sehr grossem Hub gegen die Schwerkraft drückt und so die Sportler zum Einfedern bringt, wie wir z.B. im Trainingsvideo von Skifahrer Ted Ligety und vielen Spielern des Amercian Football sehen können.

Was man über Exzentrisches Training wissen muss

  • Muskeln können konzentrisch die geringste Kraft erzeugen
  • Muskeln können isometrisch mehr Kraft erzeugen
  • Muskeln können exzentrisch die meiste Kraft erzeugen
  • Bei exzentrischer Kontraktion kommt die Kraft von kontraktilen Elementen und von den viskoelastischen Komponenten des Bindegewebes (vor allem Sehnen)!

Kraft-Geschwindigkeitskurve

Im Gegensatz zu konzentrischen Kontraktionen können Muskeln mehr Kraft erzeugen, je schneller sie sich exzentrisch (zu einem Punkt) verlängern, was es ihnen ermöglicht, die kinetische Energie während schneller Bewegungen wie einem Fussauftritt während des Laufens zu speichern.

Exzentrisches Training verschiebt die Länge / Spannungskurve

  • Exzentrisches Training erhöht die Fähigkeit eines Muskels, Kraft mit einer längeren Länge zu erzeugen!
  • Dies ist einer der Wege, wie exzentrisches Training Verletzungen verhindert.
  • Exzentrisches Training bewirkt eine schnellere Zunahme der Muskelgrösse und –stärke.
  • Stärke von exzentrischem Training überträgt sich auf konzentrisches Training, aber nicht umgekehrt.
  • Da ein Muskel exzentrisch viel mehr Kraft erzeugen kann, führt ein langsames Absenken der Gewichte nicht zu einer Überlastung oder Verbesserung der Exzentrizität.
  • Das heisst auf Deutsch: Selbst Heavy-Negativtraining an Geräten ist noch kein richtiges exzentrisches Training!
  • Signifikante Erhöhung des metabolischen Grundumsatzes (Kalorienverbrauch in Ruhe).
  • Exzentrisches Training erfordert ein viel niedrigeres Mass an Sauerstoff und kardiovaskulärer Arbeit / Stress und eine geringere Rate an wahrgenommener Anstrengung für ein gegebenes Mass an Kraftproduktion / Arbeitsbelastung.
  • Exzentrische Übungen haben sich als ideal für Senioren und Menschen mit verminderter kardiovaskulärer Kapazität erwiesen, da sie schnell und sicher Muskeln aufbauen und das Sturzrisiko signifikant senken.

In der nächsten Ausgabe der FITNESS TRIBUNE erfahren Sie mehr über modernes exzentrisches Training.

Berny Huber

Seit 25 selbständiger Unternehmer in der Fitnessbranche, Experte für HIIT Training

www.fit3.ch
www.reacttrainer.ch