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Erfolgreiche Mitglieder muss man sich auch leisten können

Über die positiven Rückmeldungen auf meinen letzten Artikel «Qualifizieren statt Betreuen» freue ich mich sehr. Insbesondere über das positive Werturteil von Stefan Küper. Er schrieb auf Facebook: «Mega Artikel von Andreas Bredenkamp. Wer als Fitnessclubbetreiber oder Therapeut mit angeschlossenem Trainingsbereich diesen Artikel liest, versteht und Schritt für Schritt umsetzt, wird mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit einen Quantensprung vollziehen.» Ja, davon sind Stefan und ich gleichermassen überzeugt, und wir wissen auch beide, dass ein «Quantensprung» eine Erkenntnis bezeichnet, die eine Person oder eine Sache um einen entscheidenden Schritt nach vorne bringt – aber das muss nicht zwangsläufig etwas Gutes sein. Zum Beispiel dann nicht, wenn man bereits am Abgrund steht. Denn der Weg zu mehr Mitgliedern, den ich dort beschrieben habe, führt nicht nur zu mehr, sondern auch zu deutlich aktiveren Mitgliedern. Das heisst, dass durch die Umsetzung meines letzten Artikels nicht nur mehr Mitglieder gewonnen und langfristiger erhalten, sondern diese auch wesentlich häufiger zum Training kommen werden. Und das kann eine sowieso schon gut laufende Anlage auch schnell mal an ihre Grenzen bringen. Alles, was wirksam ist, hat eben auch seine Nebenwirkungen. Verstehen Sie diesen Artikel deshalb als eine Art Packungsbeilage, mit dem ich auf die Nebenwirkungen meines letzten Beitrags hinweisen möchte. Am besten gleich an einem konkreten Fallbeispiel:

Ich bin heute zu Gast in der VitalitätsOase von Ulrike Kaiser und Ulrich Steinke in Falkensee bei Berlin. Mit 920 Mitgliedern auf 440 Quadratmetern und einem aktuellen Beitrag von 70 Euro gehört die VitalitätsOase zu den Anlagen, die – um beim obigen Bilde zu bleiben – am Abgrund stehen. Ihre eGym-Auslastung beträgt 158 Prozent, ihre Kurse sind so voll wie ihre Umkleiden und ihre Parkplätze. Sie haben nach zwei Jahren nicht den «Break-even» erreicht, sondern bereits die Auslastung des Systems. Das alles, ohne aufwändige und kostenintensive Kampagnen, sondern allein durch ihre Fähigkeit, ihren persönlichen Beziehungen Reichweite zu verleihen. Sie begeistern und motivieren ihre Mitglieder mit regelmässigen Vorträgen, die Erkenntnisse aus diesen Vorträgen tragen ihre Mitglieder weiter und sie berichten ihren Freunden von ihren tollen Ergebnissen. Allerdings führen ihre Vorträge auch zu einer überdurchschnittlich hohen Nutzung ihrer Anlage. Deshalb greifen die beiden Betreiber für einen möglichst reibungslosen Trainingsablauf auf Mario Görlachs HIBB-Konzept zurück. Sein Konzept basiert auf Effektivität und Effizienz. Nicht nur das Richtige, sondern das Richtige richtig tun: Kurze Verweildauer an den Geräten, leicht erklär- und erlernbare, vom Aufwand her schaffbare und überschaubare Prozesse, die nach aussen hin leicht zu empfehlen und zu verkaufen sind. Das heisst für Mario Görlach Wirtschaftlichkeit. Menschen brauchen Regeln, die nachvollziehbar sind, Prozesse mit einer festen, zeitlichen Vorgabe und einem innerhalb dieser Vorgaben garantierten Ergebnis. Aus diesen Gedanken entstand sein HIBB-Modell. Und ohne ein so hocheffizientes Konzept ginge mit so vielen aktiven Mitgliedern auf so kleinem Raum in der VitalitätsOase schon lange nichts mehr. Aber irgendwann sind die Grenzen des Systems dennoch erreicht. Macht es da noch Sinn, wenn ich heute Abend mit einem weiteren, begeisternden Vortrag die Mitglieder noch einmal mehr zu regelmässigem Training motiviere und damit noch mehr Öl ins Feuer giesse?

Eine Erweiterung der Anlage wird das Problem nicht lösen, sondern nur verlagern. Ich kenne Einzelstudios, die stehen mit 5’000 Mitgliedern vor demselben Problem. Nutzten die Mitglieder deren Anlage statt 1,5-mal pro Woche, zweimal die Woche, bräche auch dort alles zusammen. Und es kann ja nicht das Ziel sein, eine Anlage so lange zu erweitern, bis man sie nicht mehr auslasten kann. Die Grösse der Anlage ist nicht das Problem, und deswegen kann die Erweiterung der Anlage auch nicht die Lösung sein.

Bliebe die Möglichkeit, das Problem über das Prinzip «Angebot und Nachfrage» zu lösen. Wird es zu voll, erhöht man die Beiträge. Aber ein Anheben der Preise als Antwort auf die grössere Nachfrage wird das Problem ebenfalls nicht lösen, weil auch die Höhe der Beiträge nicht die Ursache des Problems darstellt. Die Ursache sind nicht Grösse oder Preise, sondern allein das gegenwärtige Geschäftsmodell der Einzelstudios, welches den Mitgliedern nicht nur die Nutzung der Anlage verspricht, sondern auch den Nutzen daraus. Oder anders ausgedrückt:

Die Einzelstudios geben ihren Mitgliedern nicht nur ein Leistungsversprechen, sondern auch ein Nutzenversprechen. Sie versprechen ihren Mitgliedern den Trainingserfolg, und zwar für den aktuellen Beitrag! Deshalb können sie, wenn die Mitglieder ihren Erfolg einfordern und für ihren Erfolg nun auch zweimal die Woche zum Training kommen, nicht so einfach den Beitrag erhöhen. Das Problem der Einzelstudios liegt also weder in der Grösse ihrer Anlagen noch in der Höhe ihrer Beiträge, sondern einzig und allein in ihrem inkonsistenten Geschäftsmodell. Ein Geschäftsmodell, welches auf den Kennzahlen «Mitgliedergewinnung und Mitgliedererhalt» basiert, ohne die dritte, wichtige Kennzahl – den «Mitglieder-Erfolg» – mit einzubeziehen.

Nicht Werbekampagnen, sondern der «Mitglieder-Erfolg» wird in Zukunft die entscheidende Rolle spielen, sowohl für die Mitgliedergewinnung als auch für den Mitgliedererhalt. Deshalb benötigen die Betreiber von Einzelstudios weder grössere Anlagen noch höhere Beiträge, sondern ein in sich schlüssiges Geschäftsmodell, in dem eine klare Trennung von Vermietung und Dienstleistung vollzogen wird. Erst wenn das Nutzenversprechen der Einzelstudios nicht länger an die Bereitstellung der Geräte gekoppelt, sondern Bestandteil einer separaten Vereinbarung geworden ist, werden die Einzelstudios, ohne überall an Grenzen zu stossen, von der Qualifizierung ihrer Mitglieder auch angemessen profitieren können.

Es ist nun einmal «Fakt, dass man nicht mit denselben Strategien aus der Krise herauskommen kann, welche die Krise verursacht haben.» Diesen Satz fand ich in dem Buch «Der leise Atem der Zukunft» von Ulrich Grober. Das Wort «Krise», schreibt Grober, komme aus dem Griechischen und bedeute «Entscheidung». In der Medizin zum Beispiel bezeichne «Krise» den Moment, «in dem es sich entscheidet, ob der Patient stirbt – oder gesundet.» In der Wirtschaft ist der Patient das Unternehmen, und in der Krise entscheidet sich, ob das Unternehmen untergeht – oder ob es den Sprung in die Zukunft schaffen wird. Damit die Einzelstudios den von Stefan Küper versprochenen Quantensprung in die Zukunft schaffen werden, werden auch sie eine Entscheidung treffen müssen: Die Entscheidung, ob sie einfach so weitermachen wollen wie bisher oder ob sie ihr bisheriges Geschäftsmodell einer Revision unterziehen. Für Ihre interne Revision stelle ich Ihnen einschliesslich dieses Beitrags eine 14-teilige Reihe als Richtschnur zu Verfügung. Die ersten 7 Beiträge spiegeln die in der Praxis überkommenen Wahrheiten wider, in den folgenden 7 Beiträgen stelle ich diesen allgemein akzeptierten Wahrheiten alternative Wahrheiten gegenüber. Die Idee ist es, Ihnen damit einen Leitfaden an die Hand zu geben, um im Sinne der dialektischen Aufhebung «die negativen Dinge aufgeben und nur die positiven, wertvollen Elemente erhalten und fortführen zu können.» (Wikipedia). Wenn Sie die Revision mit mir und gleichgesinnten Fitnessanlagen gemeinsam durchführen möchten, dann lade ich Sie herzlich ein zur Masterausbildung des eGym-Campus. Ich freue mich dort auf Sie.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“