Interview Alex Huser
4. August 2018
Ich lese die FITNESS TRIBUNE!
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Effekt eines 4-wöchigen Kräftigungs- und Beweglichkeitstraining auf die Rumpfmuskulatur

Fazit: Ein Grossteil der Bevölkerung ist von Rückenbeschwerden betroffen. Mehrheitlich sind Rückenschmerzen medizinisch unspezifisch und biopsychosozial mitbedingt. Aktive Bewegung gilt seit den 80er Jahren als effiziente Präventions- und Behandlungsmethode. Anhand der durchgeführten Interventionsstudie konnte gezeigt werden, dass ein nur 4-wöchiges Kraft- und Mobilitätsprogramm die rumpfstabilisierende Muskulatur bereits deutlich steigern und das subjektive Wohlbefinden verbessern kann.

Rückenschmerzen sind in allen Gesellschaftsschichten weit verbreitet und gelten in der Schweiz als häufigste gesundheitliche Beschwerde. Aus einer repräsentativen Datenerhebung der Rheumaliga Schweiz (2011) geht hervor, dass vier Fünftel der Befragten Rückenschmerzen aus eigener Erfahrung kennen. Der einzig feststellbare demografische Unterschied beruht auf dem fortschreitenden Alter. Die direkten Kosten für Beschwerden im unteren Rücken sind enorm und werden von Wieser et al. (2011) schweizweit auf 2.6 Billionen Franken beziffert (Stand 2005). Als Ursache von Rückenbeschwerden werden von sitzend Tätigen Muskelverspannungen am häufigsten genannt. In der Fachliteratur werden körperliche Belastung mit unergonomischen Bewegungsmustern und biopsychosoziale Faktoren als schmerzverursachend betrachtet.

Der gesundheitsfördernde Effekt von regelmässiger körperlicher Aktivität wird in vielen Studien hervorgehoben. Die moderate Bewegung wirkt sowohl der Entstehung als auch den Rezidiven von Rückbeschwerden entgegen. Seit den 80er Jahren geht der Trend zur Behandlung daher immer mehr von einer Schonhaltung hin zu aktiven Therapieformen.

Eine Mehrheit (58%) von Rückenschmerz-Betroffenen werden dementsprechend instruiert und geben bei der Umfrage der Rheumaliga Schweiz (2011) als Präventionsmassnahme das Sport treiben an; weitere 40% nennen Krafttraining, auch Gymnastik (39%) und Massage (37%) sind unter den meistgenannten vorbeugenden Massnahmen (Mehrfachnennungen möglich). Ruckstuhl et al. (2001) präzisieren, dass eine ausreichende Rumpfkraft einen präventiven Charakter auf Beschwerden im Wirbelsäulenbereich hat und eine Grundkomponente zur Ausübung sportlicher Aktivität darstellt.

Die Rennbahnklinik, eine der führenden orthopädischen Sportkliniken der Schweiz, setzt auf ein ganzheitliches Behandlungskonzept. Das Ziel zweier paramedizinischen Abteilungen, der Leistungsdiagnostik/Biomechanik und dem Rennbahntraining, war es, durch Kräftigung der Rumpfmuskulatur und Rückenbeweglichkeit die Rumpfstabilität von Rückenschmerz-Betroffenen mit einer Kurzintervention von 4 Wochen zu verbessern und zu quantifizieren.

Methode

Abbildung 1: Standard-Ausführung nach Swiss Olympic

Per Zeitungsinserat wurden 32 Teilnehmer für die Rückenstudie rekrutiert, wovon 30 (15 Männer, 15 Frauen) die ganze Interventionsstudie absolvierten; die zwei Dropouts waren motivations- und zeitbedingt. Das durchschnittliche Alter betrug 55.3±9.6 Jahre.

Zur quantitativen Erfassung des Ausgangsniveaus absolvierten die Teilnehmer bei deren ersten Besuch einen Rumpfkrafttest. Dieser von Swiss Olympic etablierte Test evaluiert die ventrale, die laterale und die dorsale Rumpfkette. Dem Niveau der Teilnehmer entsprechend, wurde der Test in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden durchgeführt. Die Standard-Ausführung erfolgte gemäss den Angaben von Swiss Olympic mit einer stabilisierenden Bretthaltung ventral, lateral und dorsal und dynamischen Bewegungen der Beine, der Hüfte respektive des Oberkörpers im Sekundentakt.

Beim Level 2 wurde eine statische Übungsausführung angeleitet und beim Level 3 die statische Übung mit verkürztem Hebelarm.

Nach dem Eingangstest sowie der Übungs- und Geräteeinführung absolvierten alle Teilnehmer im Rennbahntraining Fitnesscenter ein 4-wöchiges standardisiertes Trainingsprogramm, bestehend aus einer Kombination von moderaten Kräftigungs-, Stabilisations- und Beweglichkeitsübungen. Die Rückenmobilität wurde mit drei spezifischen Beweglichkeitsübungen an den Five Geräten ® trainiert. Das Kräftigungsprogramm für den Oberkörper und Rumpf beinhaltete folgende Übungen: Row, Latzug, Back Extension, Bauch und Butterfly Reverse. Es erfolgten pro Übung zwei Serien à je 12-15 Wiederholungen bei individualisierten Gewichten. Zusätzlich beinhaltete das Stabilisationsprogramm Planks nach Zeitvorgabe.

Die Teilnehmer trainierten in diesen 4 Wochen zweimal wöchentlich rund 1 Stunde im Fitnesscenter.

Der Rumpfkrafttest wurde als quantitatives Messinstrument für die Wirksamkeit der Intervention nach 4 Wochen Trainingsprogramm unter identischen Bedingungen von der Leistungsdiagnostik bei allen Teilnehmern wiederholt.

Abbildung 2: Prä und Post Ergebnisse des Rumpfkrafttests (n=30 und Mittelwert)

Resultate

Die Werte der ventralen, lateralen und dorsalen Rumpfkrafttestung wurden nach der 4 Wochen dauernden Kraft- und Beweglichkeits-Intervention signifikant gesteigert (p<0.01).

Die grösste prozentuale Verbesserung war bei der ventralen Kette mit 56% von 70±52 auf 109±71 Sekunden (Mittelwert ± Standardabw eichung) zu erkennen. Die Rumpfkraft der lateralen Kette wurde um 55% von 33±22 auf 51±27 Sekunden und jene der dorsalen Kette um 42% von 65±27 auf 92±34 Sekunden verbessert.

Diskussion

Die Rückenstudie war mit 4 Wochen à je 2 Trainingseinheiten über einen kurzen Zeitraum angesiedelt. Die Intervention zeigte deutlich, dass die Rumpfstabilität durch Kräftigung und Beweglichkeitsübungen für Rumpf, Rücken und Oberkörper in 4 Wochen markant gesteigert werden kann. Somit konnte die in der Fachliteratur beschriebenen positiven Effekte bestätigt und präzisiert werden.

Besonders erfreulich ist, dass die Verbesserung nicht nur im Gruppenmittelwert feststellbar ist, sondern diese Tendenz in den Einzelverläufen wiederzufinden ist. Die Verbesserung beschränkt sich nicht auf zuvor inaktive Personen, sondern wird auch bei Teilnehmern mit einem guten Ausgangswert und aktivem Lebensstil erzielt.

Die grosse Standardabweichung verdeutlicht die Ausgangsniveau-Heterogenität der Teilnehmer. Ein Grossteil der Teilnehmer war vor der Studie sportlich inaktiv. Die Frage beim Eingangstest nach der Anzahl Minuten Rumpfkräftigung beantworteten 20 der 30 Teilnehmer mit Null Minuten. Bei der Abschlussmessung lag der erfragte Gruppenmittelwert bei 124 Minuten (Prä: 8 Minuten).

Nebst den direkt messbaren Variablen der Rumpfkraft und der Aktivitätszeitdauer waren vor allem die Aussagen der Teilnehmer interessant. Vermehrt wurde das verbesserte Körpergefühl hervorgehoben und die zurückgekehrte Freude an der Bewegung.

Dies sind, in Anbetracht an die in der Literatur beschriebenen psychosozialen Einflüsse auf Rückenbeschwerden, äusserst wichtige Komponenten.

Für den Nachhaltigkeitstransfer zielführend ist, dass die Teilnehmer die Motivation wiedergefunden haben und die Übungen als Heimübungen oder in einem Fitness weiterführen wollen.

Eine Befragung der Studienteilnehmer über deren Befinden und körperlichen Aktivität ein Jahr nach der dem Studienabschluss ist wünschenswert.

Literaturquellen

Die Literaturquellen für diesen Text können angefordert werden unter: info@fitnesstribune.com

Sarah Geboltsberger, MSc ETH Bewegungswissenschaften

Praxisklinik Rennbahn AG, Muttenz

Leitung Leistungsdiagnostik

Stv. Leitung Biomechanik

sarah.geboltsberger@rennbahnklinik.ch
www.rennbahnklinik.ch