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Digitale Erfolgspotenziale nach der Wiedereröffnung Corona-Krise beschleunigt Digitalisierung

Durch die Corona-Pandemie wurden Fitness- und Gesundheitseinrichtungen mit neuen Herausforderungen konfrontiert, z. B. wie man den Kontakt zu den Mitgliedern trotz der Schliessungen aufrechthält. Viele Unternehmen haben sich daher intensiver mit dem Thema Digitalisierung auseinandergesetzt. Welche Schlussfolgerungen aus der Entwicklung des letzten Jahres für den Einsatz der Digitalisierung gezogen werden können und wie die Digitale Transformation unsere Branche perspektivisch weiter verändern wird, erläutert Jost-H. Roth im vorliegenden Text.

Die coronabedingten Lockdowns trafen die Fitness- und Gesundheitsbranche wie auch grosse Teile der schweizerischen Wirtschaft hart.

Die Herausforderungen nach der (erneuten) Wiedereröffnung

Die Fitness- und Gesundheitseinrichtungen waren im Frühjahr 2020 sowie im Winter 2020/2021 über mehrere Wochen geschlossen. Der Restart erfolgte mit starken Einschränkungen und unter Beachtung strenger Hygiene- sowie Abstandsregeln. Die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen durch die zeitweilige Schliessung der Center stellt die Branche angesichts von Umsatzrückgängen, einer höheren Zahl an Kündigungen und geringen Neuanmeldungen vor enorme Herausforderungen.

Zusätzlich haben wir es jetzt mit Kunden zu tun, die eine gewisse Zeit nicht trainieren konnten und eventuell aus Sorge vor Ansteckung in Zukunft auch nicht mehr trainieren wollen. Deren Sichtweise auf das Training und die Trainingsgewohnheiten hat sich durch die Krise möglicherweise stark verändert.

De facto wirft das folgende Fragen zur zukünftigen Ausrichtung unseres Geschäftsmodells auf:

  • Können wir als Fitnessanbieter für Mitglieder, deren veränderte Bedürfnisse sich gerade durch eine solche Krise manifestieren, weiter eine Rolle spielen?
  • Bleiben wir mit unserer aktuellen Dienstleistung für unsere jetzigen und zukünftigen Kunden als Pro-blemlöser wirklich relevant?

Die radikale Infragestellung traditioneller Geschäftsmodelle, Technologien, Verfahren, Produkte und Dienstleistungen durch neue Lösungen wird in der Managementliteratur gern als Disruption (dt.: Zerstörung) bezeichnet.

Die Digitalisierung als «einerseits (1) die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherform und andererseits (2) die Übertragung von Aufgaben, die bisher vom Menschen übernommen wurden, auf den Computer» (Hess, 2016) spielte bei disruptiven Prozessen der letzten Jahrzehnte eine massgebliche Rolle. Denken wir hierbei nur an die Umwälzung der Märkte für Fotografie (u. a. digitale Kameras), Personenbeförderung (z. B. Uber) und Handel (bspw. Amazon).

Die Digitalisierung ist für unsere Branche nichts Neues, hier setzt man schon seit Längerem auf digitale Angebote und Prozesse. Aber welche wesentlichen Veränderungen sollten wir jetzt dringend vornehmen, um unser Geschäftsmodell zukunftssicher zu machen und den Post-Corona-Herausforderungen zu begegnen?

Fünf Digitalisierungsthesen sind hier formuliert:

1. Über die Corona-Krise hinaus bleiben online verfügbare digitale Angebote für Training, Kurse und Ernährung Teil unserer Dienstleistung!

Auf die erzwungenen Lockdowns hat die Branche mit digitalen Angeboten für das Training zu Hause reagiert. Diese Möglichkeiten wurden intensiv genutzt und als klarer Mehrwert empfunden. Hohe Abrufzahlen von YouTube-Videos und die rege Teilnahme an Livestreams belegen dies. Die Ausweitung unseres Angebotes ist für die Kunden auf alle Fälle mit einem Zusatznutzen verbunden. Daher ist davon auszugehen, dass Online-Kurse, individuelle Beratungen und Personal Trainings per Zoom, Skype oder über andere Medien nicht einfach wieder verschwinden, sondern integrierter Bestandteil unserer Dienstleistung werden.

2. Die digitale Kommunikation mit unseren Kunden wird zunehmend wichtiger!

Durch Kommunikation wird Kundenbindung geschaffen. Mit digitalen Medien lässt sich einfach, zielgruppenspezifisch und kostengünstig kommunizieren. Ein Erfolgsrezept während der Lockdowns bestand aus einer intensiven, vorwiegend digitalen Kommunikation mit den Kunden. Per E-Mail, WhatsApp und über Social Media wurde über Trainingsalternativen informiert, die Community durch Facebook-Gruppen gestärkt und Updates zu regulatorischen Massnahmen der Behörden geteilt. Dadurch ist es gelungen, die Bindung und Identifikation mit den Unternehmen zu stärken, Kampagnen zur Öffnung der Fitness- und Gesundheitscenter die nötige Resonanz zu verschaffen und somit die Solidarität mit unseren Betrieben zu stärken. Ein willkommener Nebeneffekt könnte sein, dass durch intensivere (digitale) Kommunikation der Anteil inaktiver Mitglieder gesenkt und die Fluktuationsquote positiv beeinflusst werden kann.

3. Unsere Prozesse müssen digitaler werden!

Die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen wird durch die konsequente Digitalisierung von Prozessen erhöht. Für viele Branchen ist die Krise ein Weckruf, um endlich häufig bereits existierende digitale Lösungen zu implementieren. Wo vorher Hürden gesehen wurden oder Bequemlichkeit regierte, erkennt man jetzt die Notwendigkeit, schnell zu handeln. Für unsere Branche gibt es einige Massnahmen, die jetzt konsequent umgesetzt werden sollten: Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von kundenfreundlichen Mitglieder-Apps mit der Möglichkeit, Servicetermine und Kurse online zu buchen sowie die Centerauslastung in Echtzeit zu sehen. Ausserdem können der Online-Verkauf von Mitgliedschaften, die Schichtplanung per Mitarbeiter-App, Online-Mitarbeitermeetings u. a. einfacher organisiert werden.

4. Mithilfe der Digitalisierung können wir die Bedürfnisse unserer Kunden ganzheitlich abbilden und abdecken – Insellösungen sind passé!

Die vielfältigen Bedürfnisse und Probleme von Kunden kennen und dafür entsprechende Lösungen anbieten – darin liegt die Existenzberechtigung von Unternehmen begründet. Der Kunde sieht in uns die Spezialisten für körperliche und/oder geistige Gesundheit und Fitness. Wenn wir diese Probleme lösen, sind wir relevant. Smartes Equipment, das die Aktivitäten im Center aufzeichnet, ermöglicht es uns, die Trainingsfortschritte der Kunden zu verfolgen und bei Bedarf unterstützend und motivierend einzugreifen. Mitglieder-Apps, die nicht nur die Center-, sondern auch die Outdooraktivitäten und Ernährungsgewohnheiten protokollieren, helfen uns, ganzheitlich an unseren Kunden «dranzubleiben» und uns darum zu kümmern, dass deren Ziele auch erreicht werden. Kunden, die Erfolge feiern, werden uns treu bleiben und dadurch unser wirtschaftliches Ergebnis verbessern.

5. Ein hybrides, vernetztes Konzept aus traditionellem Training vor Ort und Online-Angeboten – das ist das Fitness- und Gesundheitsangebot der Zukunft.

Durch die Krise wurde deutlich, dass hybride Geschäftskonzepte, die Online- und Offline-Angebote bereithielten, deutlich weniger anfällig waren als rein stationäre Geschäftsmodelle. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass auch für unsere Branche die Entwicklung und Umsetzung eines hybriden Dienstleistungskonzeptes sinnvoll und empfehlenswert ist. Die einzelnen Komponenten sollten sorgfältig aufeinander abgestimmt sein, um die Kundenbedürfnisse in Bezug auf Training, Ernährung und Entspannung online wie auch offline abzudecken. Wir haben die Chance, die Attraktivität unseres Angebots dadurch zusätzlich zu steigern und weitere Zielgruppen zu erreichen, also die Marktdurchdringung insgesamt zu erhöhen.

Fazit

Die Corona-Krise wird zum Beschleuniger einer bereits begonnenen digitalen Entwicklung. Das Fitnesscenter der Zukunft wird zu einem Content-Anbieter, der seine Inhalte online und offline zur Verfügung stellt. Das Unternehmen hält über digitale Medien regelmässigen Kontakt zu seinen Kunden und ist durch integrierte Systeme über deren Aktivitäten und Zielerreichungsgrade informiert. Das ermöglicht dem Center, mit seiner Dienstleistung «Problemlöser» und wesentlicher Ansprechpartner bei den sport- und gesundheitsbezogenen Themen seiner Kunden zu sein. Der dadurch realisierte Kundennutzen ist die Basis für Umsätze, die das Geschäft zukunftssicher und profitabel machen.

Das Fitnesscenter vor Ort als sozialer Kosmos und Anlaufstelle zur Begegnung von Menschen wird sicherlich im Zentrum bleiben, seinen Wirkungsgrad aber deutlich erweitern. Abschlies-send ein Zitat von Chuck Runyon, dem Mitbegründer von Anytime Fitness, der weltweit grössten Fitnesskette, anlässlich der Entwicklung des letzten Jahres: «Learn from it, adopt it, become better».

In diesem Sinne – lasst uns unsere «digitalen Muskeln» stärken!

Literaturliste

  • Hess, T., Gronau, N., Becker, J., Sinz, E. J., Suhl, L. & Leimeister, J. M., (Hrsg.) (2016). Digitalisierung. Zugriff am 29.05.2020. Verfügbar unter http://Enzyklopädie-der-wirtschaftsinformatik.de/lexikon/technologien-methoden/Informatik–Grundlagen/digitalisierung
  • Kaplan, A. (Moderator). (05.05.2020). Self Esteem Brands CEO Chuck Runyon – By all Means (Audio Podcast). Zugriff am 29.05.2020. Verfügbar unter http://tcbmag.com/by-all-means/self-esteem-brands-ceo-chuck-runyon

Jost-H. Roth

Jost-H. Roth ist Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie. Als Unternehmensberater unterstützt er Kunden schwerpunktmässig bei kaufmännischen Themen. In seiner Laufbahn hat er in kaufmännischen Führungspositionen gearbeitet, Unternehmen mitgegründet, aufgebaut und sich dabei intensiv mit Aspekten der Digitalisierung befasst.
www.dhfpg-bsa.de