Der eGym Campus
6. Juni 2019
Das erste BSA/DHfPG FITNESS & HEALTH CAMP
6. Juni 2019

Die Zukunft der Einzelstudios Letzter Teil

„Werden Sie in Ihrem Einflussbereich der bekannteste Influencer. Lenken Sie durch spannende Inszenierungen die Aufmerksamkeit auf sich und Ihre Inhalte und verschaffen Sie Ihren Inhalten so für wirtschaftliches Wachstum die notwendige Reichweite.“ So lautete im letzten Beitrag dieser Artikelreihe meine Empfehlung an die Einzelstudios.

Influencer sind Menschen, „die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres hohen Ansehens“ (Wikipedia) in der Lage sind, noch viel mehr Menschen mit ihren Ideen und Wertevorstellungen zu „infizieren“. Seinen Virus überträgt der Influencer in Form des Viralen Marketings. Laut Wikipedia handelt es sich dabei um eine „Marketingform, die soziale Netzwerke und Medien nutzt, um mit einer meist ungewöhnlichen oder hintergründigen Nachricht auf eine Marke, ein Produkt oder eine Kampagne aufmerksam zu machen. [. . .] Der Term viral besagt, dass Informationen über ein Produkt oder eine Dienstleistung innerhalb kürzester Zeit, ähnlich einem biologischen Virus, von Mensch zu Mensch weitergetragen werden.“ Der Influencer will also eine Epidemie auslösen. Dafür muss er unbedingt bereit sein, zu polarisieren. Er erlaubt sich zum Beispiel die Frechheit zu behaupten, „gesunde Ernährung“ werde allgemein überbewertet. Schon ist er im Gespräch. Schafft er jetzt auch noch das kleine Kunststück zu belegen, dass seine These nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, sucht sich der Virus seinen Weg. So einfach funktioniert virales Marketing.

Seinen Virus verbreitet der Influencer – auch wenn oft empfohlen – besser nicht in den Medien, denn dort könnte eine derart pauschalisierte These auch ganz schnell aus dem Ruder laufen. Einen „optimalen Nährboden für seinen Virus schafft er durch Einbinden seiner Zielgruppe.“ (Wikipedia) Deshalb ist es wesentlich geschickter, den Virus unter den eigenen Mitgliedern zu verbreiten, am besten in Form eines hervorragend inszenierten, viralen Vortrags. Nur so hat der Influencer die Möglichkeit, „durch die Integration des Konsumenten …, eine extrem hohe Identifikation … herzustellen, um den viralen Marketingprozess positiv zu unterstützen. Gelingt es ihm dabei, die Meinungsführer seiner Zielgruppe in diesem Marketingprozess zu aktivieren, kann er damit Absatzsteigerungen zwischen 10 und 30 Prozent herbeiführen“ (aus: Wikipedia).

Die Aktivierung der Meinungsführer ist innerhalb des viralen Marketings die Königsdisziplin, denn erst mit ihnen wird der Virus hochinfektiös. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts erkannte Vilfredo Pareto, „dass eine kleine Anzahl von hohen Werten einer Wertemenge mehr zu deren Gesamtwert beiträgt als die hohe Anzahl der kleinen Werte dieser Menge“ (aus: Wikipedia). Das heisst im Fall der Infizierung, dass ein Politiker, Arzt oder Konzernchef den Virus um ein Vielfaches schneller verbreitet als 100 andere infizierte Kunden. Allerdings haben gerade die Meinungsführer in der Regel ein hervorragend funktionierendes Immunsystem. Mit irgendeiner fadenscheinigen Behauptung beschäftigen die sich nicht lange. Im Gegenteil: Beim nächsten Vortrag sind sie nicht mehr dabei. Niemand lässt sich gern für dumm verkaufen. Deshalb muss nach einer provokanten These eine nachvollziehbare Begründung folgen, sonst sind sie raus. Die Begründung muss dabei unwiderlegbar sein und vollkommen verblüffend:

„Legen Sie sich doch mal drei Monate bei optimaler Ernährung ins Krankenhaus oder gehen Sie wahlweise drei Monate mit 10 Kilo Zusatzgepäck auf den Jakobsweg, und essen Sie auf Ihrer Pilgerreise, was Ihnen schmeckt. Von wo kommen Sie gesünder, vitaler und mit einer grösseren Lebensenergie zurück? Aus dem Krankenhaus oder vom Jakobsweg?“

Die Begründung ist so einleuchtend, dass sich jeder sofort fragt, warum er sich das nicht schon selbst gefragt hat? Sollte an der zuerst haarsträubenden These, gesunde Ernährung werde überbewertet, tatsächlich etwas dran sein?

Nun ist der Virus hochgradig virulent, denn das Beispiel war bewusst keine wissenschaftliche Begründung, sondern plausibel und einfach formuliert, sodass dieser Virus von den neuerlich Infizierten in Windeseile weitergetragen werden kann. Sind Meinungsträger infiziert, kann sich vor diesem Virus niemand mehr schützen.

Ein viraler Vortrag ist in der Lage, die Aufmerksamkeit auf so ziemlich jedes Produkt und jede Dienstleistung zu lenken. Bei Produkten mit geringer Nachfrage geht es allerdings gar nicht ohne. Muskeltraining ist ein solches Produkt. In 60 Jahren haben wir es offensichtlich nicht geschafft, mehr als ca. 10 Prozent der Menschen von der Wichtigkeit starker Muskeln zu überzeugen. Deshalb sollten wir schnellstens beginnen, zur Aktivierung der verbleibenden 90 Prozent den Absatz aktiv zu unterstützen. Nichts eignet sich dafür besser als ein viraler Vortrag.

Nur wie sollen wir die 90 Prozent der Menschen überzeugen, wenn selbst die 10 Prozent, die bei uns trainieren, sich lieber 100 Vorträge über Ernährung anhören, bevor man sie für einen einzigen Vortrag über Training gewinnt? Aber ist es deshalb sinnvoll, dass neun von 10 Vorträgen im Fitnessclub Vorträge über Ernährung sind? Mir geht es dabei nicht um die Frage, was von beidem wichtiger ist. Training und Ernährung wirken als Komponenten – und wie bei einem Zwei-Komponenten-Kleber klebt der Kleber nur, wenn beide Komponenten aufeinandertreffen. Deshalb geht es nicht darum, ob der linke Stiefel wichtiger ist als der rechte, sondern darum, dass das Einzelstudio nicht in Gemüse investiert hat, sondern in Geräte für den Muskelaufbau. Darin liegt sein Alleinstellungsmerkmal. Und deshalb ist nicht die Ernährung, sondern das Muskeltraining das Produkt des Einzelstudios, dessen Konsum aktiv unterstützt werden muss.

Dem Fitnessclub hilft es nicht, wenn die Menschen über die eine Komponente alles wissen und über die andere absolut gar nichts. Schlimmer noch: Über Muskelaufbau wissen 90 Prozent der Menschen nicht nur nichts, sondern sie wissen noch nicht einmal, dass sie darüber nichts wissen. Das Resultat daraus ist, dass die Menschen über den Aufbau von Muskeln auch nichts wissen wollen. Denn für ein Wissen, von dem sie nicht wissen, dass sie es nicht wissen, können sie sich auch nicht interessieren. Ein Zitat von Henry Ford bringt das auf den Punkt:

„Würde ich meine Kunden nach ihren Wünschen fragen, hätten wir heute schnellere Pferde.“

Wer Autos nicht kennt, wünscht sich schnelle Pferde. Wer den Nutzen kräftiger Muskeln nicht kennt, sieht die Lösung seiner Probleme in „gesundem Essen“. Um die 90 Prozent des Marktes gewinnen zu können, müssen wir also zuerst einmal in der Lage sein, zumindest die 10 Prozent, die wir als Kunden gewonnen haben, restlos davon zu überzeugen, dass es für sie nichts Wichtigeres gibt als starke Muskeln. Zumindest die 10 Prozent der Menschen, die bei uns trainieren, sollten draussen am Markt nicht über die Schädlichkeit von Zucker reden, sondern über die Wichtigkeit starker Muskeln. Deshalb sagte Mario Görlach schon in den 90er-Jahren und sagt es seitdem auch immer wieder:

„Andreas Bredenkamps Vorträge biete ich an, bis sie auch der Letzte gehört hat.“

Obwohl er bereits vor fast 20 Jahren seinen Fitnessclub verkauft hat, hat der heutige Inhaber erst kürzlich festgestellt, dass heute noch 700 Kunden bei ihm trainieren, die damals Mario Görlachs Vorträge gehört haben. Deshalb verfolgt Mario noch ein weiteres Ziel. Er möchte die Möglichkeit schaffen, jedes Einzelstudio zu qualifizieren, virale Vorträge selbst zu halten. Denn nur so werden die Einzelstudios die 90 Prozent der Menschen erreichen, die von Muskelaufbau nichts wissen wollen. Was die Branche dafür benötigt, sind noch viel mehr Influencer. Um den Wert starker Muskeln herum muss eine Community entstehen, aus der heraus auch die 90 Prozent der Nicht-Interessierten gewonnen werden, indem die 10 Prozent der Trainierenden nicht nur selbst Mitglied im Einzelstudio sind, sondern ihre Wertevorstellungen über die Wichtigkeit starker Muskeln teilen. Denn es heisst nicht umsonst: Ist ein Produkt wirklich gut, sind seine Käufer die besten Verkäufer.

Um sein Ziel zu erreichen, hat Mario Görlach den eGym-Campus gegründet. Über ihn lesen Sie bitte den entsprechenden Artikel in dieser Zeitschrift.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“