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Denkanstoss – Renne schneller oder werde gefressen!

Von Roger Gestach

Man stelle sich die Wildnis vor: Eine Gazelle muss täglich ein wenig schneller rennen, als der schnellste Löwe, sonst wird sie gefressen. Der Löwe muss auch täglich rennen und zwar ein wenig schneller als die langsamste Gazelle. Tut er dies nicht, verhungert er. Fazit: Egal, ob Du eine Gazelle oder ein Löwe bist, du musst jeden Tag rennen und zwar ein wenig schneller als der Andere!

Am Netzwerktreffen der FITNESS TRIBUNE anlässlich der FitnessExpo in Basel, erzählte Mario Görlach, der bekannte Unternehmer, die obige Geschichte als Witz und erzeugte so ein grosses Gelächter im Saal.

Übertragen auf die Fitnessbranche sind die Gazellen die Einzelstudios und die Ketten die Löwen. Das heisst, nicht nur die Einzelstudios müssen täglich um ihre Existenz kämpfen, auch die Manager der Ketten haben den täglichen Kampf und stehen unter Druck. Sie müssen ihre Performance gegenüber den Investoren und Inhabern bringen, sonst haben sie keinen Job mehr. Und die Einzelstudios müssen ihrerseits täglich erfolgreich kämpfen, sonst gehen sie Konkurs. Kämpfen müssen beide!

Gäbe es nun aber für die Gazelle noch ein anderes Rezept, als täglich zu rennen? Schwierig! Eine geschickte Gazelle könnte sich aber vielleicht eine neue Savanne suchen, welche weit weg vom Gebiet der Löwen liegt. Auf die Fitnessbranche könnte man dies so übertragen, dass sich das Einzelstudio dort auf neue Zielgruppen konzentriert, wo sich die Ketten und Discounter nicht aufhalten.

Lustigerweise wird in der Branche immer darüber geredet, wie hart die Konkurrenzsituation sei, obwohl nur rund 12 bis 15 Prozent der Bevölkerung in einem Fitnesscenter trainieren! Ist dies eine harte Konkurrenzsituation? Richtig hart ist die Konkurrenz bei jenen Produkten, welche von 100 Prozent der Bevölkerung gebraucht werden (zum Beispiel Lebensmittel). Hier geht es nicht darum, ob ich dieses Produkt brauche oder nicht; nein, es geht nur darum, wo ich es kaufe, da der Kuchen immer gleich gross ist.

Wir in der Fitnessbranche konzentrieren uns leider sehr häufig nur darauf, mit Marketingaktionen Kunden von anderen Centern abzuwerben. Wäre es nicht viel sinnvoller dort zu „fischen“, wo der Teich am grössten ist? Nämlich bei den 85 bis 88 Prozent der Bevölkerung, die noch nicht trainieren!

Warum versuchen Einzelstudios also nicht bei folgenden Zielgruppen neue Kunden zu gewinnen?

  • Couch-Potato
  • Keine Zeit fürs Training
  • Andere Sportart ausüben
  • Bewege mich im Alltag genug
  • Physio-Fitness
  • Allgemeine Gesundheitskunden

Zum Beispiel könnte man mit spannenden Vorträgen, den Couch-Potatos aufzeigen, wie wichtig Muskeltraining ist. Was machen wir mit „Keine Zeit“-Leute? Keine Zeit gibt es nicht. Jeder Mensch hat genau gleich viel Zeit zur Verfügung pro Tag: 24 Stunden, 1440 Minuten und 86‘400 Sekunden. Wenn Ihnen jemand sagt, dass er keine Zeit hat fürs Fitnesstraining, heisst dies, er hat zurzeit andere Prioritäten. Man könnte auch hier mit Aufklärung diesen Personen aufzeigen, dass ein effizientes Fitnesstraining nicht zwei Stunden geht, sondern mit einem 30-Minuten-Training zweimal pro Woche schon sehr viel erreicht werden kann.

„Andere Sportart“-Leuten könnte man ebenfalls verdeutlichen, wie wichtig Muskeltraining für jeden Sport ist. Muskeltraining ist überhaupt die Basis, um Sport zu betreiben. Eigentlich dürfte nur in einem Sportverein zugelassen sein, wer regelmässig Krafttraining macht. Laden Sie doch einmal den lokalen Sportverein zu Ihnen ins Center ein.

Auch die Ausrede „Ich bewege mich im Alltag genug“ funktioniert nicht! Wenn nämlich die Bewegung im Alltag ausreichen würde, hätte jeder Bauarbeiter die Figur von Brad Pitt und jede Reinigungskraft die von Angelina Jolie! Auch hier könnte Aufklärung viel bringen.

Und wieso überlässt die Fitnessbranche eigentlich das Feld der Therapie fast ausschliesslich den Physiotherapien. Es gibt im Verhältnis nur wenige Fitnesscenter mit eigener Physiotherapie. Haben Sie sich noch nie überlegt eine eigene Physiotherapie in Ihrem Center zu integrieren? Damit könnten Sie eine ganz neue Zielgruppe ansprechen.

Das grösste Potential für Einzelstudios sehe ich im Gesundheitsmarkt. Die meisten Ketten und Discounter „fischen“ ihre Kunden hauptsächlich im Fitnessmarkt. Wieso also nicht die „Savanne“ wechseln und sich neu positionieren. Im Gesundheitsmarkt sind viel mehr Kunden als die 12 bis 15% der Bevölkerung die heute trainieren.

Sie sehen, im Gegensatz zur Gazelle haben die Einzelstudios also viel mehr Möglichkeiten nicht gefressen zu werden. Schliesslich ist das Becken der Nicht-Trainierenden noch wahnsinnig gross.