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Andreas Bredenkamp Kolumne: Können Einzelstudios zukünftig überleben?

Teil II

Nicht einfach weitermachen wie bisher. Stattdessen eine klare Trennung herbeiführen zwischen der Gebrauchsüberlassung der Geräte (Mietvertrag) und der Trainerdienstleistung (Dienstleistungsvertrag). Innerhalb dieser beiden Bereiche – Vermietung und Dienstleistung – die Wertschöpfung vermehrt aus der Trainerdienstleistung ziehen. Wenn den Einzelstudios das gelingt, werden sie nicht nur überleben, sondern auch in Zukunft vom boomenden Fitness- und Gesundheitsmarkt profitieren. Das ist die Zusammenfassung aus dem ersten Teil meines Beitrags zur Podiumsdiskussion der FITNESS TRIBUNE in Basel.

Als Rückmeldung auf diesen Beitrag erfuhr ich breite Zustimmung. Genauso einig war man sich, dass es nicht klappen wird. Aus der Trainerdienstleistung, so die einhellige Meinung, seien keine Einnahmen zu erzielen, mit denen die Fehlbeträge aus den sinkenden Beiträgen zu kompensieren wären. Aber das ist ein Irrtum! Es ist eine ähnliche Fehleinschätzung, wie sie der Firma IBM unterlief, als sie MICROSOFT unterschätzte. Rendite erzielt man nicht mit der Hardware, sondern mit der Software. Auch im Fitnessclub.

Die Hardware des Fitnessclubs ist das Equipment, die Software ist das „Trainerwissen“. Vereinzelt erwirtschaften Trainer heute schon – von den Fitnessclubs oft unbemerkt – allein mit ihrem Trainerwissen höhere Umsätze als so manche mittlere Fitnessanlage. Ein Beispiel dafür zeigte mir unlängst Marc Wisner. Er fand im Netz einen Blogger, der auf seiner Seite Trainingspläne und Ernährungstipps verkauft. Mit erstaunlichem Erfolg: Allein mit seinem Trainerwissen macht dieser Online-Trainer eine halbe Million Euro Umsatz. Und das ohne Kapitalbindung und ohne den Fixkostenapparat einer Fitnessanlage. Entsprechend hoch ist die Rendite.

Für eine halbe Million Euro Umsatz muss ein „Personaltrainer“ lange stricken. Und das, obwohl der Personaltrainer dem Blogger in seinem „Trainerwissen“ sicher um nichts nachsteht. Der Unterschied zwischen dem Blogger und dem Personaltrainer liegt nicht in ihrem Wissen, sondern in der unterschiedlichen Skalierbarkeit ihrer Geschäftsmodelle.

Nach Wikipedia versteht man unter Skalierbarkeit „die Fähigkeit eines Systems, Netzwerks oder Prozesses zur Grössenveränderung. Meist wird dabei die Fähigkeit des Systems zum Wachstum verstanden“. Abgeleitet ist der Begriff „Skalierbarkeit“ vom italienischen Wort scala, die Treppe. Bildlich gesprochen ist Ihr Geschäftsmodell skalierbar, wenn Sie gemütlich die Treppe hoch steigen, während Ihre Umsätze den Fahrstuhl nehmen.

Betrachten wir unter dem Blickwinkel der Skalierbarkeit die heute gängige Praxis, Umsatz zu erzielen aus der Überlassung der Geräte, dann ist dieses Modell anderen Geschäftsmodellen, die ebenfalls auf Vermietung basieren, durchaus überlegen. Eine Wohnung zum Beispiel ist nur an eine Familie zu vermieten. Das war´s! Eine Skalierbarkeit dieses Geschäftsmodells ist für den Vermieter selbst nicht zu erzielen. In Ihrer Fitnessanlage dagegen wächst der Umsatz mit der Menge der Mitglieder, die die Geräte nutzen, und der Höhe der Beiträge, die sie für die Nutzung der Geräte bereit sind zu zahlen. Haben Sie den „break-even-point“ erreicht, erzielen Sie mit jedem Mitglied mehr und mit immer höheren Beiträgen pro Mitglied eine immer höhere Rendite. Der Vermietung von Wohnungen ist die Skalierbarkeit Ihres Geschäftsmodells also weit überlegen. An seine Grenzen stösst es allerdings, wenn die Anlage ausgelastet ist. Dann nämlich müssen Sie neuen Raum schaffen und dafür Geld investieren. Damit binden Sie noch mehr Kapital, schaffen einen noch höheren Fixkostenapparat und fangen Ihre Rendite betreffend zwar auf höherem Niveau, aber dennoch wieder von vorne an.

Natürlich gibt es Alternativen. Sie können Ihre Anlage, statt sie zu vergrössern, im Sinne einer intensiveren Nutzung auch verdichten. Mario Görlach schaffte das mit seiner Idee des MIHA-/MILON-Zirkels. Er erhöhte die Skalierbarkeit durch Automatisierung des Trainingsprozesses. Mit seiner elektronischen Zirkelidee trainieren auf gleichem Raum mehr Kunden bei einem im Verhältnis zur Erweiterung der  Anlage geringerem Kapitaleinsatz und niedrigerem Fixkosten-Apparat.

Eine weitere Steigerung in der Skalierbarkeit erreichten Mario und sein Team mit EGYM. Sie programmierten die Geräte auf Überwachung der wichtigsten Trainingsregeln, und zwar mit der Absicht, durch die automatisierte Beachtung der Regeln mehr Kundennutzen zu erzeugen. Indem für den Trainingserfolg relevante Umstellungen im Training nun automatisch erfolgen, trainieren auf gleichem Raum nicht nur mehr Menschen bei geringerem Kapitaleinsatz und niedrigeren Fixkosten, sie können durch die automatisierten Trainingsanpassungen zudem bei geringerem Personalaufwand und in kürzerer Zeit einen höheren Trainingserfolg generieren.

Es gibt also durchaus unterschiedliche und sehr gute Ansätze, um innerhalb eines Modells, das auf der Gebrauchsüberlassung der Geräte beruht, eine hohe Skalierbarkeit zu erzielen. Aber an die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells des Bloggers reichen sie alle nicht heran. Der Blogger schreibt ein Skript, preist es aus, stellt es ins Netz und schaut dann entspannt zu, wie mit jedem Klick seine Umsätze steigen. Sein Umsatz steigt dabei völlig losgelöst von seinem Arbeitsaufwand und von seinem eingesetzten Kapital. Er lädt sich ausserdem keinen grossen Fixkostenapparat auf den Hals und letztendlich kennt sein Geschäftsmodell auch keine Begrenzung durch Auslastung des Systems. Für den Blogger ist das Internet eine Maschine zum Gelddrucken.

Wie für den Blogger das Internet, so könnte für die Einzelstudios die Trainerdienstleistung eine Goldgrube sein. Aber dafür muss der Trainer es verstehen, seine Umsätze ebenso wie der Blogger von seiner Arbeitszeit zu entkoppeln. Nutzt er für seine Dienstleistung skalierbare Prozesse, fahren seine Umsätze im Fahrstuhl nach oben, während er die gewonnene Zeit gemeinsam mit seinen Mitgliedern entspannt auf der Trainingsfläche verbringt. Das allerdings wird ihm als „Personaltrainer“ nicht gelingen. In einer „Eins-zu-Eins-Betreuung“ ist der Verdienst an die Zeit gekoppelt, und damit stellt die Zeit für den Personaltrainer den Engpass dar. Bedarfsanalysen, Einzeleinweisungen, das Schreiben von Trainingsplänen, Anamnesen, Testings, Re-Checks und Ernährungsberatungen sind allesamt nicht skalierbare Prozesse. Es wird immer nur im Verhältnis eins zu eins Zeit gegen Geld getauscht. Als Folge dieser „Eins-zu-Eins-Praxis“ verrennen sich die Trainer in Einzelterminen, und je mehr Einzeltermine sie machen, umso weniger präsent sind sie auf der Trainingsfläche. Durch ihre Abwesenheit auf der Trainingsfläche verschärfen sie den ärgsten Kritikpunkt am Trainer, denn die ärgste Kritik am Trainer ist ihre Nichtansprechbarkeit. Wollte der Fitnessclub dieser Kritik in angemessener Weise Rechnung tragen, benötigte er ein Heer an Trainern. So könnte in letzter Konsequenz eine wirklich gute Trainerleistung für das Einzelstudio den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Ich wüsste nicht, wie sich auf ein solches Eins-zu-eins-Prinzip ein skalierbares Geschäftsmodell aufsatteln liesse.

Skalierbar wird die Vermittlung von Trainerwissen erst, wenn sie nicht eins zu eins, sondern beispielsweise durch Vorträge und Workshops oder in Form von Büchern, Hörbüchern, Videos und Videobotschaften erfolgt.

Erst durch ein skalierbares Geschäftsmodell leistet der Trainer keine Arbeit mehr, sondern erbringt im wirtschaftlichen Sinne eine Leistung. Leistung ist Arbeit durch Zeit. Ist die Aufgabe eines Trainers also die Vermittlung von Wissen, erbringt er eine entsprechend gute Leistung, wenn er auf hohem Niveau möglichst vielen Menschen in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Wissen gleichzeitig vermittelt. Dazu ein Beispiel, das in der Praxis genauso funktioniert:

Der Trainer hält vor 100 Externen einen zweistündigen Vortrag. Mit dem Vortrag überzeugt er 70 Teilnehmer, eine Jahresmitgliedschaft zu unterschreiben. Selbst wenn alle Teilnehmer die Mitgliedschaft nach einem Jahr nicht verlängern, hat der Trainer bei einem angenommenen Monatsbeitrag von 70 Euro bei einem Zeitaufwand von zwei Stunden einen Jahresumsatz von 58‘800 Euro generiert. Und das ohne weiteren Kapitaleinsatz und ohne Aufstockung des Fixkostenapparats. Schlussendlich erfährt sein Geschäftsmodell eine wesentlich geringere Begrenzung durch Auslastung des Systems.

Und nun zur Quintessenz aus Teil 1 und Teil 2 meines Beitrages „Können Einzelstudios zukünftig überleben?“

Sie werden überleben, wenn sie das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wenn sie zukünftig nicht nur Hardware vermieten, sondern auch die Software verkaufen. Es wäre ein sträflicher Fehler, den Software-Markt dem Internet zu überlassen.

1993, in dem Jahr, in dem das Internet noch lediglich ein Prozent der Informationsflüsse der weltweiten Telekommunikation ausmachte, schrieb ich in meinem Buch Das Trainerkonzept (1993), S. 20:

Verdienen wir unser Geld doch nicht nur durch die blosse Vermietung unserer Anlage, sondern ausserdem mit dem Inhalt Sport. Lernen wir doch, nicht mit Vertragsabschlüssen unser Geld zu verdienen, sondern mit den Inhalten unserer Arbeit. Verschenken wir nicht weiter unser Wissen, sondern schulen wir uns im Verkauf. Erst dann werden die Inhalte auch wieder dorthin zurückkehren, wo sie hingehören: In das Zentrum unseres Interesses. Und auch die Vertragsabschlüsse werden dann wieder zu dem, was sie sein sollten: Der Startschuss und nicht das Ziel.

Was damals schon richtig war, wird heute dringlich. Machen Sie also nicht weiter wie bisher. Vergessen Sie die „Eins-zu-eins-Betreuung“ und stellen Sie Ihre Trainerdienstleistung um auf ein skalierbares Geschäftsmodell. Nur durch die Fähigkeit zu mehr Wachstum werden Ihre Trainer wirtschaftlich relevante Umsätze in einer Höhe erzielen, die es Ihnen erlauben wird, die Wertschöpfung vermehrt aus der Trainerdienstleistung zu ziehen. Was Ihre Trainer dafür neben ihrem Trainerwissen benötigen, sind spezielle Kompetenzen in der Vermittlung ihres Wissens. Genau diese Kompetenzen sind Inhalte meiner Schulung.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“