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Motivation als wichtigster Faktor für den Trainingserfolg
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Alle Menschen sind fit!

In dieser Kolumne geht es um mentales Gewichtheben.
Wahre Fitness trainiert beides, physische als auch psychologische Muskeln. Viel Spass beim neuronalen Schwitzen.

Ich weiss, diese These erscheint auf den ersten Blick gewagt. Trotzdem habe ich Recht. Bitte lesen Sie weiter. Als Einstieg habe ich eine Übung für Sie: Da die FT ein Fachmagazin für Fitness-Spezialisten ist, sollte diese kein Problem für Sie darstellen. Sind Sie bereit? Es geht los! Bitte zählen Sie für sich die sieben wichtigsten Trainingsprinzipien auf. Denken Sie bitte nach (die Lösung steht unten – also bitte nicht schummeln).

Nun, falls Sie beim Aufzählen der Prinzipien Probleme haben, dann sind Sie nicht allein. Bisher hat mir noch niemand, dem ich diese Frage gestellt habe (und es waren einige), die Prinzipien ohne Mühe aufzählen können. Viele schafften bloss zwei bis drei und auch das oft nur mit Hilfestellungen. Das sollte zu denken geben. Warum? Ganz einfach: Die Trainingsprinzipien sind das Einmaleins der Trainingslehre. Sie sind die Basis für jede Trainertätigkeit. Hier beginnt alles oder es geht bereits viel verloren. Wer trainieren will, der will im Normalfall etwas verändern, z. B. Muskeln auf- und Fettmasse abbauen, die Ausdauer verbessern usw. Das geht aber nur über die Einhaltung der Trainingsprinzipien. Die Biologie hat Naturgesetze, denen wir Menschen ausnahmslos unterworfen sind. Um der Natur also zu befehlen, muss man ihr zuerst gehorchen.

Ein Beispiel: Das Prinzip der Superkompensation besagt, dass Training und Erholung eine Einheit bilden. Wer sich nur Gedanken übers Training macht, trainiert somit falsch. Der Trainingserfolg wird rasch ausbleiben. Ein ermüdendes Training in einen müden Körper zu platzieren ist bestenfalls dumm. Gerade im Spitzensport kommt die Erholung oft zu kurz. Die nicht abgeschlossene Erholung zwischen den Trainings ist meiner Meinung nach sowie im Sport als auch in der Fitnesswelt weit verbreitet. Das hat Konsequenzen: Übertraining oder Verletzungen stehen zum Sprung bereit. Die Biologie verhandelt da nicht.

Die Trainingsprinzipien zu verstehen ist eigentlich gar nicht so schwierig. Schwieriger ist es, sie anzuwenden. Aber das kann man lernen, oft über Verletzungen oder Misserfolg. Wir alle haben ja einmal mit Fitnesstraining begonnen und die meisten von uns haben am Anfang meist viel zu viel trainiert. Erfahrung und Enttäuschung sind also sehr wichtig. Ich für mich bin gerne ENT-täuscht.  Die Täuschung hört also auf. Das ist immer gut.

Warum sind nun alle fit? Weil es das Prinzip des spezifischen Reizes gibt. Dieses Prinzip besagt, dass sich der Körper immer genau in die Richtung anpasst, in welcher er gefordert wird. Wer sich über eine längere Zeit pro Tag nur ein paar Meter bewegt, der ist fit – für diese paar Meter. Die vielen kräftigen Jungs im Hantelbereich fühlen sich meist sehr fit. Würden sie aber eine Pilates-Lektion besuchen, dann käme dieses Selbstbild arg ins Wanken. Und viele Group-Fitness-Instruktoren wirken fit, sind aber unfähig drei korrekte Klimmzüge auszuführen. Das Prinzip des spezifischen Reizes gilt auch hier. Deswegen sind ausnahmslos alle Menschen fit. Sie sind fit für die Hindernisse, denen sie im Alltag regelmässig begegnen.

Der Satz ‚ich bin fit‘ bedeutet für jeden Menschen etwas völlig anderes. Der Begriff ‚Fitness‘ ist ein sprachlicher Passepartout, der kontextlos ist. Er sagt nichts aus. Ein Tipp: Fragen Sie Ihre Trainerkollegen, ob sie Ihnen die Trainingsprinzipien aufzählen können. Sie werden studierende Gesichter und oft ein heiteres Ratespiel beobachten können. Die Trainingsprinzipien sind nicht unbedingt sexy; sie sind bloss wichtig. Und sie machen den Trainer immun gegen die vielen Trends, die es in der Fitnesswelt immer wieder gibt. Die Biologie kennt aber keine Trends, wohl aber Gesetzmässigkeiten. Wenn Sie ein Trainer mit hoher Qualität sein wollen, dann orientieren Sie sich konsequent auf die Trainingsprinzipien. Nochmals – weil es so wichtig ist. Man kann der Natur nur dann befehlen, wenn man ihr gehorcht.

Das Prinzip

  • der Superkompensation
  • des spezifischen Reizes
  • des adäquaten Reizes
  • der Progression
  • der Regelmässigkeit
  • der Variation
  • der Periodisierung

Eric-Pi Zürcher

War früher über Jahre als Personal Trainer tätig und arbeitet nun beim FC Thun als Konditionstrainer.

E-mail: eric-pi@bluewin.ch