Läufer als neue Zielgruppe im Fitnesscenter!
6. Februar 2019
Social Media als Marketingbooster
6. Februar 2019

Älter werden – Teil 2

In dieser Kolumne geht es um mentales Gewichtheben.
Wahre Fitness trainiert beides, physische als auch psychologische Muskeln. Viel Spass beim neuronalen Schwitzen.

Im ersten Teil ging es darum, dass wir in jeder Sekunde altern und täglich etwas sterben, da jeder Tag mehr gleichzeitig auch einen weniger im Leben bedeutet. Dass wir in jedem Moment – also immer – altern ist für viele keine sympathische Feststellung. Es gibt ja Frauen, die meinen, dass sie nicht älter werden, wenn sie ihren Geburtstag nicht mehr feiern. Mit dem Alter ist es so wie mit Fusspilz. Keiner will damit etwas zu tun haben. Das Altern hat einen schlechten Ruf. Man will es zwar einmal sein, aber doch nie werden.

Im Alter – so die eindimensionale Vorstellung – da geht es nur noch um das Verwalten von Mängeln. Dieses Bild möchte ich trüben. Denn älter werden ist nicht nur etwas Schreckliches. Wir leben heute sehr viel länger und gesünder als jede Generation zuvor. Die Phase zwischen 60 und 85 Jahren ist zum Beispiel länger als die Kindheit und die Pubertät zusammen. Somit haben wir die Möglichkeit ein gelingendes Altern zu realisieren, das früher so nie möglich war. Ist das nicht phantastisch? Alt, stark und weise zu sein ist eine grossartige und erstrebenswerte Leistung. Jung zu sein ist ja keine Performance. Alle waren mal jung. Altern ist also Leben für Fortgeschrittene und es ist nichts für Feiglinge.

Die Wortkombination Anti-Aging finde ich wegen der oben erwähnten Feststellung unglaublich dumm. Es kann nur um Better-Aging gehen. Und die Fitnessbranche hat ein Produkt, welches für die Gesundheit des Menschen unglaublich salbungsvoll ist. Medizinisch gesehen ist Bewegung als Gesundheitspflege  unumstritten.  Wir als Bewegungsexperten können die Leute immer wieder dazu einladen und Bewegung mit positiven Emotionen verbinden. Dazu kommt das eigene Vorleben eines gesunden Fitnessstils. Letztendlich sind ja nur Resultate glaubwürdig. Da wir aber – und das ist sehr wichtig – Anstrengung verkaufen, werden wir nie alle überzeugen können. Da hat die Pharma-branche die besseren Karten. Aber es ist eben so, dass sich all die Vorteile eines Fitnesstrainings nicht in Tabletten pressen lassen. Trainierte Muskeln sind für unseren Körper systemrelevant. Sie sind too-big-to-fail. Jeder weiss: Kein wildes Tier überlebt, wenn es sich nicht mehr bewegen kann. Als Säugetiere, die wir Menschen ja sind, dürfen wir das nie vergessen. Gerade das Krafttraining wird meist im Alter dramatisch unterschätzt. Je älter aber man wird, desto wichtiger wird dieses Training. Die Jungen wollen trainieren, die Alten müssen. Funktionelle Unabhängigkeit im Alter ist primär eine Frage der Kraft und nicht der Ausdauer. Wer nicht mehr von der Toilette aufstehen kann, der ist ein Pflegefall. Das muss nicht sein und wenn es sein muss, dann bitte ganz spät im Leben. Viele leben zu kurz und sterben zu lang. Mit einem guten Fitness-training steigen die Chancen, dass es umgekehrt ist. Lange leben und kurz sterben. Wer so stirbt, der hat grosses Glück und diesem Glück kann man mit dem Fitnesstraining kräftig nachhelfen.

Apropos Glück. Alle wollen glücklich sein. Man kann drei Arten von Glück unterscheiden. Im lesenswerten Buch von Eckart von Hirschhausen ‚Die bessere Hälfte’ wird Glück in Typ A, B und C selektiert. Diese Glücksformen skizziere ich kurz:

Glück – Typ A

Hier geht es um Action pur, um Ekstase und des ‚Peak-Moment.’ Es ist heftig und stark. Es ist auch das Glück des Wollens und des Aufbrechens. Es ist intensiv aber auch kurz. Man hangelt sich von Moment zu Moment. Drogen sind in diesem Glück auch zuhause. Typ A ist flüchtig und deswegen muss man dieses Glück immer wieder jagen. Im Glück A sind Äusserlichkeiten elementar. Schicke Kleider, luxuriöse Autos, feudale Uhren, erstklassige Wohnungen; solche Statussymbole sind sehr wichtig. Warum? Weil man den inneren Frieden im Aussen sucht. Das Glück hängt stark davon ab, was andere über mich denken. Die Selbstinszenierung in den sozialen Medien mit gepimpten Selfies ist da willkommen. Denn hier kann man den trainierten Body ungeniert als öffentliche Angelegenheit deklarieren.

Glück – Typ B

Dieser Typ ist das Gegenteil von A. Es ist das Auf- und Ausatmen von etwas. Der Seufzer, wenn  Schmerz, Leid oder Stress eine Pause machen. Weg von etwas, was ich nicht mag. Dieses Glück kommt im Gewand der Erleichterung. Sich fallen lassen, ruhen, abschalten usw. In der Mitte des Lebens (ca. 30-50 Jahre) kommt dieses Glück oft vor. Job, Familie, Karriere und Einkommen müssen gemanagt werden. Das geht oft nur mit Blessuren. Typ B ist weniger enthusiastisch als Typ A und weniger erfüllend als Typ C.

Glück Typ C 

Es ist das Gefühl, genau richtig zu sein, am richtigen Ort. Es ist kein Zustand des noch mehr Strampelns, sondern mehr des Loslassens. Es ist das Glück des Seins und ein Zustand der Gelassenheit, Es ist auch eine Form von Genugtuung (= genug getan). Man hat nicht mehr das Gefühl, ständig etwas zu Ende bringen zu müssen. Ganz wichtig: Dieses Glück braucht keine Tribüne, die klatschen muss, damit es einem gut geht. Echte Autonomie ist ja dann vorhanden, wenn man niemanden mehr etwas beweisen muss. Oder wie Goethe bereits bemerkte: „Die beste Wonne ist wohnen in sich selbst.“ Diese Wonne ist Lebensqualität pur.

Es gibt also drei Zustände von Glück. Alle drei sind wertvoll und doch sehr eigen. Vielleicht ahnen Sie es bereits. Im Herbst des Lebens tendiert das Glück in Richtung Typ C. Also zur Gelassenheit, Dankbarkeit und Zufriedenheit. Und dieses Glück ist viel stabiler und erfüllender als die beiden anderen. Wenn Sie jünger als fünfzig sind, dann können Sie sich also freuen, auf das, was kommt. (siehe Skizze)

Ein smartes Erwartungsmanagement für Glück und Zufriedenheit ist wichtig. Denn unser Gehirn ist auch eine Erwartungsmaschine. Die Jungen sind auch deswegen glücklich, weil sie glauben, es gehe im Leben nur aufwärts. Das Tal des Lebens ist noch breit und weit. Alle grossen Türen stehen offen. Bessere Jobs, ein grösseres Einkommen, all das wird noch kommen. Als Sahnehäubchen wartet dann noch die Prinzessin oder der Prinz.

In den mittleren Jahren ist es dann oft so, dass das reale Leben oft deutlich unter den hochfliegenden Erwartungen der Jugendzeit abläuft. Die Prinzessin oder der Prinz ist erstaunlicherweise doch nur aus Fleisch und Blut. Die Kinder können gewaltig nerven und die Karriere blockt oder sie fordert einen hohen zeitlichen Blutzoll. Meist ist der Einkommensdruck gewaltig, da Haus, und viele andere Rechnungen bezahlt werden müssen. Mit anderen Worten: Dauerstress pur. Deswegen ist das Glück Typ B hier meist im Einsatz. Nicht wenige fragen sich dann: War es das? Was kommt da noch? Einiges. Zum Beispiel fängt der Körper an verschiedenen Stellen zu stottern an. Man merkt: Früher sah die Zukunft viel besser aus. Solche Feststellungen sind meist grosse Happiness-Dämpfer.

Ab ca. 50 Jahre plus kommt dann immer mehr das Glück Typ C zum Tragen. Warum? Weil die tiefen Erwartungen ans Alter meist deutlich übertroffen werden. Mit dem Alter verschieben sich Themen und Inhalte. Man weiss deutlich, was zu einem passt und was nicht. Das steigert das eigene Wohlbefinden und dieses Wohlbefinden ist eine Art innerer Wohlstand. Weil der Lebenshorizont überschaubar wird, schätzt man den Moment oder die Begegnung viel mehr. Man hat nicht mehr vor, später einmal zu leben. (Nach der Ausbildung, dann…. wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann……)

Oft entdeckt man auch die Schönheit der einfachen Dinge. Man kann dann bei einem Spaziergang viel Freude erleben. Als Teenager sind Spaziergänge ja meist pure Langeweile.

Als Jugendlicher glaubte ich, ich brauche niemanden und habe den totalen Durchblick. Dabei war mein naives Schwarzweiss-Denken ein Denken in ganz, ganz simplen Schablonen. Erfolgreiches Altern bedeutet auch ein Mehr an Wissen. Dieses befähigt einen, mit negativen Erfahrungen besser umzugehen und nicht gleich ins Schwitzen zu geraten. Man weiss, das haut mich nicht (mehr) um. Die mentale Burg hält etwas aus. Diese Burg ist aber ohne angeREICHertes Leben oder Erkenntnisfalten nicht zu haben.

Im nächsten und letzten Teil werde ich über das Sterben schreiben. Wer (gedanklich) fit sein will, der muss auch den Geadanken über den eigenen Tod aushalten können. Denn kurz- mittel- oder langfristig sind wir alle tot.

Eric-Pi Zürcher

War früher über Jahre als Personal Trainer tätig und arbeitet nun beim FC Thun als Konditionstrainer.

E-mail: eric-pi@bluewin.ch