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100 Studios im Test – nur eine Frage des Preises?

Abbildung 1: Normalverteilungskurve Jahresabopreis deutschsprachige Schweiz

Im Auftrag von 20 Minuten hat starperformance 100 zufällig ausgewählte Center verschiedener Preiskategorien mit verdeckten Probetrainings (Mystery Shopping) getestet. Die publizierten Ergebnisse in 20 Minuten sind für den Leser leicht verständlich sowie kurz und knapp gehalten. Sie bestehen lediglich aus wenigen Zeilen mit einer Gesamtnote. Unter diesen Umständen kann man einer fachlichen Auseinandersetzung im Rahmen dieser Thematik natürlich nicht gerecht werden. Daher wollen wir dieser äusserst spannenden und interessanten Angelegenheit etwas mehr Hintergrund und Tiefe verleihen und dabei in einem ersten Schritt einmal auf die Preispolitik eingehen. Im Test wurden Preiskategorien erstellt und mit den Segmentbezeichnungen «Discount», «Premium», «Mittel-Segment» betitelt. Allerdings kann diese Einteilung durchaus kritisch hinterfragt werden, denn die benannten Segmente liessen sich theoretisch ebenfalls auch über das verfügbare Angebot definieren. Oder wird alleine mit dem Preis bereits klar, welches Angebot diesem gegenübersteht? 

Hier ein Beispiel: Wer in ein edles Restaurant geht, weiss, dass der Kaffee dort nicht notwendigerweise besser ist als beim Take-Away am Bahnhof, aber sie/er weiss auch, dass sie/er nicht Schlange stehen muss und der Kaffee in edlem Porzellan – vielleicht sogar mit weissen Handschuhen – an einem schön gedeckten Tisch serviert wird.

Spätestens potentielle Neu-Kunden dürften sich damit schwertun, die verschiedenen Angebote differenziert zu beurteilen, da der Preis oftmals das einzige ist, was diese bewusst wahrnehmen (können). Somit erscheint es durchaus sinnvoll, gerade in der Fitnessbranche den Abo-Preis in einem ersten Schritt einmal nüchtern den eingekauften Leistungen gegenüberzustellen, welche sich in Zahlen messbar ausdrücken lassen.

Die auf den Daten von 650 Centern der deutschsprachigen Schweiz (praktisch alle Center) berechnete Normalverteilungskurve der Abo-Preise ist in Abbildung 1 ersichtlich. Der Mode-Wert ist der Jahresabo-Preis, der am häufigsten vorkommt. Der Medianwert markiert die mengenmässige Mitte, d.h. höher und tiefer als 850 Franken sind Abo-Preise bei gleich vielen Centern und naturgemäss ist der Durchschnittswert mit 878 Franken nicht weit davon entfernt.

In rund 68 Prozent der Deutschschweizer Fitnesscenter kostet ein Jahresabo zwischen 621 und 1134 Franken. Weitere je 13.6 Prozent liegen zwischen 1135 und 1391 bzw. zwischen 365 und 620 Franken. Gesamthaft weniger als fünf Prozent liegen noch höher oder tiefer. Eine andere Darstellung sind die Perzentilen, also die Prozentanteile. Bei rund 80 Prozent der analysierten Deutschschweizer Fitnesscenter kostet ein Jahresabo nicht mehr als 1090 Franken, aber nur bei 20 Prozent liegt der Abo-Preis tiefer als 690 Franken. Dies zeigt genau wie die Normalverteilungskurve, wie dicht gedrängt der Deutschschweizer Markt im Preissegment zwischen knapp 700 und knapp 1100 Franken ist, aber es zeigt auch, wie wenig aussagekräftig Preisvergleiche sind.

Mehr als nur der Preis

Deshalb drängt sich die Frage auf, was der Kunde denn in der Realität grundsätzlich einkauft. Und da ist ein Kriterium nicht zu bestreiten: Entscheidend für die Wahl des Fitnesscenters ist die Lage, denn niemand wird sich jeweils für seine Trainingseinheiten eine halbe Stunde ins Auto setzen oder im ÖV anfahren. Das Fitnesscenter muss entweder vom Wohnort und/oder vom Arbeitsort gut erreichbar sein. Ein Fitnesscenter muss aber nicht nur gut erreichbar sein, es muss auch geöffnet sein. An dieser Stelle ein Beispiel aus den Bergen: Ein Saisonabonnement in einem nahegelegenen Skigebiet in den Voralpen auf gut 1000 Metern Höhe ist trotz weit besserer Erreichbarkeit als einige der grossen Skiresorts in den Schweizer Alpen immer billiger; denn es ist nicht schneesicher und deshalb weit weniger lang geöffnet. Nach dieser Logik müssten die Abos von Fitnesscenter mit längeren Öffnungszeiten auch mehr kosten. Aber auch ohne statistische Analyse weiss jeder, dass dies nicht der Fall ist und eine statistische Analyse zeigt, dass kein Zusammenhang feststellbar ist, im Gegenteil: Es gibt sogar eine leicht negative Korrelation, d.h. tendenziell kosten Abos von Centern mit längeren Öffnungszeiten auch noch weniger Geld.

Abbildung 2: Preis pro Stunde «Wahlfreiheit»

Lange Öffnungszeiten bedeuten ja nichts anderes als eine grössere Freiheit bzw. eine kleinere Einengung bezüglich der Wahl der individuellen Trainingszeiten. Die relative Wahlfreiheit im Verhältnis zum Abo-Preis kann durch die Kosten pro Wochenstunde Öffnungszeit in Zahlen ausgedrückt werden. In Abbildung 2 ist das Ergebnis dargestellt und es erstaunt: Die Spannbreite ist noch viel höher als bei den Jahresabo-Preisen. Diese grosse Spannbreite wird tendenziell durch kürzere Öffnungszeiten verursacht. Anders ist dieser Maximalwert nicht zu erklären, denn wenn das betreffende Center 70 Stunden Wochenöffnungszeit anbieten würde, betrüge der Abo-Preis bereits gegen 1820 Franken. Und Center mit einem solchen Abo-Preis weisen längere Öffnungszeiten auf. Es gibt also offensichtlich Kunden der Branche, die trotz eingeschränkter Öffnungszeiten bereit sind einen «normalen» Abo-Preis zu bezahlen.

Abbildung 3: Gesamtprodukt und Kostenfaktor

Typisierung

Wir bleiben beim Beispiel vom Saisonabonnement in einem Skigebiet: Wenn es sich beim gut erreichbaren Skigebiet in den Voralpen auf 1000 Metern Höhe mit geringer Schneesicherheit auch um nur einen einzigen Hang mit einem einzigen Skilift handelt, ist der Preis für ein Saisonabonnement natürlich noch einmal deutlich tiefer. Vergleichbar wäre ein Center mit geringerer Öffnungszeit und weniger Trainingsgeräten. Bei der nächsten Analyse wurde deshalb durch die Multiplikation der Wochenöffnungsstunden mit der Anzahl Trainingsstationen ein Produkt in Zahlen ausgedrückt, das der Saisondauer eines Skigebiets und dessen Grösse entspricht. Auch hier bringt der Vergleich «Direkte Gegenleistung» (= Gerätezahl mal Wochenöffnungsstunden) zum Abo-Preis eine Überraschung wie in Abbildung 3 dargestellt. Center mit weniger als 20 Trainingsgeräten unterscheiden sich signifikant von jenen mit mehr Trainingsgeräten. In den kleinen Centern beträgt der Kostenfaktor für das Produkt «Gerätezahl mal Wochenöffnungszeit» 72, während er bei allen andern Centern nur bei 16 liegt. Wenn man ausserdem bedenkt, dass die Kunden dieser kleineren Center im Durchschnitt 1167 Franken für ein Jahres-Abo bezahlen, während dieser Durchschnittsabo-Preis bei den Centern mit mehr als 20 Trainingsstationen «lediglich» 847 Franken beträgt. Bedenkt man dabei, dass es sich bei allen Centern mit weniger als 20 Trainingsgeräten entweder um Physio- oder Frauen-Center handelt, kommt man dem Prinzip sinnvoller Analysen schon eher auf die Spur. Es gibt offensichtlich aktuelle Kunden und wohl auch potentielle Neu-Kunden, die auch bei einem vermeintlich bescheideneren Angebot einen relativ hohen Abo- Preis zu bezahlen bereit sind.

Offensichtlich bestehen hier weitere, für Kunden relevante und wesentliche Faktoren, die einen höheren Preis rechtfertigen.

In den nächsten Ausgaben wird starperformance genauer auf diese Faktoren eingehen sowie weiteren Fragen nachgehen: Gibt es Unterschiede zwischen den Wirtschaftsräumen der Schweiz, und wenn ja, welche? Oder gibt es sie zwischen den Sprachregionen? Oder in der Bevölkerungsdichte?

Felix Zimmermann

starperformance AG

www.starperformance-consulting.com